Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

adesso Blog

Während wir uns noch damit auseinandersetzen, wie nativ Anwendungen in die Cloud-Umgebungen eingeflochten werden sollen, brodelt in einer Ecke des Internets bereits weiteres „Disruptionspotenzial“: Facebook benennt sich um in „Meta“, Microsoft bringt sein Produkt Teams in einen Zusammenhang mit dem Metaverse und Accenture postuliert in seinem Report „Technology Vision 2022“ ein „Kontinuum, das die Spektren digital erweiterter Welten, Realitäten und Geschäftsmodelle umspannt“.

Sollen sich Unternehmen wirklich damit beschäftigen oder ist das alles Quatsch, nur was für Cyber-Punks und nicht relevant? In diesem Blog-Beitrag bringe ich Licht ins Dunkel, kläre wichtige Vokabeln und ordne diese Trends in den Unternehmenskontext ein.

Web3? Wo waren denn Web1 und Web2?

Eine einheitliche Definition gibt es noch nicht. Meistens meint Web3 die Evolution des Internets, so wie wir es heute kennen – mit dem Fokus auf „User Generated Content“ –, zum „Internet of Value“. Web1 gilt dabei als Version der Funktionalität des Internets in der DotCom-Phase der 2000er Jahre. Web2 repräsentiert das Internet, so wie wir es heute kennen. Neben großartigen Funktionen gilt hier leider auch der Slogan „Du bist das Produkt“. Vor allem, weil Internet-Riesen mit den Daten der User viel Geld verdienen.

Web3 wird auch als die „Token Economy“ bezeichnet und meint eine dezentralisierte peer2peer-Version des Internets, in der Blockchains den jeweiligen Status von Transaktionen über das gesamte Netz verteilt verwalten. Anders als im Web2, bei dem eine Plattform meistens umfassende Kontrolle über die von den Usern bereitgestellten Daten hat, soll diese Kontrolle in Web3 bei den Usern bleiben. Der folgende Abschnitt aus den Nutzungsbedingungen von Instagram verdeutlicht diesen Zustand beispielhaft. Die Nutzerinnen und Nutzer räumen dem Unternehmen damit weitreichende Nutzungsrechte der übertragenen Inhalte ein.

“[…] When you share, post, or upload content that is covered by intellectual property rights (like photos or videos) on or in connection with our Service, you hereby grant to us a non-exclusive, royalty-free, transferable, sub-licensable, worldwide license to host, use, distribute, modify, run, copy, publicly perform or display, translate, and create derivative works of your content (consistent with your privacy and application settings). […]”
Instagram Terms of Use, “Permissions You Give to Us”

Blockchain – ist das nicht Bitcoin?

Jein! Allgemein ist Blockchain eine Datenstruktur, die kryptografische Algorithmen verwendet, um die Integrität eben dieser Datenstruktur sicherzustellen. Daten werden in Blöcken dargestellt, wobei jeder Block mit seinem Vorgänger verknüpft ist.

Mehrere Schichten in der Blockchain-Technologie stellen Aspekte sicher, um ein verteiltes Ledger zu erstellen, das dezentrale Architekturen archiviert. Wie das OSI-Modell erfüllen diese Schichten wichtige Anforderungen und abstrahieren die darunterliegende Schicht von der darüberliegenden. Transaktionen verändern den Zustand der Blockchain und werden durch einen Konsensmechanismus erreicht.

Blockchains gehören zu den grundlegenden Bausteinen des Web3-Raums. Den ersten prominenten Anwendungsfall gab es 2009 mit Bitcoin zum Aufbau eines dezentralisierten Geldsystems. Eine weitere wichtige Evolution im Anschluss war die Ethereum-Chain mit der Einführung von „Smart Contracts“. Diese ermöglichen eine sogenannte Turing-Complete-Programmierbarkeit und bieten damit reichhaltige Möglichkeiten. Sie stellen die Bausteine von Geldsystemen, Finanzprodukten, den oft genannten NFTs, Decentralized Finance (DeFi), DAOs und anderen Anwendungsfällen dar.

Fungible or Non-Fungible? NFT!

In der Kryptoszene wird in dem Zusammenhang mit NFTs auch gern der Term „Overprized JPEGs“ verwendet. Damit wird der Bezug zum Hype hergestellt, der an vielen Stellen leider nur genau das ist: Hype.

Bei genauem Hinsehen ist das Konzept allerdings sehr interessant und eine wichtige Komponente im Web3-Umfeld. Nichtaustauschbare Token kennen wir auch in der physischen Welt. Eine Euro-Münze kann ich gegen jede andere Euro-Münze mit gleichem Wert eintauschen. Meine Mitgliedskarte für das Fitness-Studio hingegen kann ich nicht gegen die Karte eines anderen Mitglieds tauschen. Neben der Mitgliedskarte, die meine Identität bestätigt, mir Zutritt gewährt und gegebenenfalls den Getränkeautomaten zum Ausschank veranlasst, bestehen weitere Beispiele wie personalisierte Tickets, Fahrscheine, Zeugnisse oder Katasterinformationen zu Grundstücksbesitz.

Und genau hier liegt das Potenzial von NFTs. Das Übertragen der genannten Anwendungsfallklassen mit Hilfe von Kryptotechnologien und die damit einhergehende „Tokenization“ werden künftig einen großen Markt darstellen. Und zwar von der Tokenisierung von Immobilien und Gütern bis zu virtuellen Gegenständen in Spielen und dem Metaverse. Die folgende Abbildung zeigt dies am Beispiel des Unternehmens Nike mit einem NFT-Sneaker.


NFT Sneaker von Nike, Quelle: https://www.cnet.com/personal-finance/crypto/these-nike-nft-cryptokicks-sneakers-sold-for-130k/

Aber auch andere Marken drängen in diesen Markt und experimentieren mit diesem Medium. Im Retailgeschäft ist eine wichtige Kenngröße, Erkenntnisse über die Kundin und den Kunden zu erlangen, um somit Angebote sehr präzise auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zuzuschneiden. Mit NFTs, dem richtigen Marketing und entsprechenden Programmen dahinter können auf diese Weise mächtige Customer-Loyality-Programme geschaffen werden.

Wie nachfolgend zu sehen ist, haben neben den einschlägig präsenten Marken wie Nike, Coca-Cola, McDonald’s und Co. auch einige Luxusmarken diesen Markt für sich entdeckt.


Luxusmarken im NFT Markt, Quelle: https://www.statista.com/chart/26869/luxury-fashion-nfts/

Wie oben angedeutet ist auch das Immobiliengeschäft ein heißer Kandidat für NFT-basierte Lösungen. Fachleute im Investmentgeschäft wie EY und die Nasdaq haben dies erkannt und verarbeiten dies in Veröffentlichungen, ihren Blogs und in Gesprächen mit Kundinnen und Kunden. Für EY ist die Tokenisierung ein zentrales Thema der Immobilienbranche und die Nasdaq-Service-Plattform bietet hierzu ebenfalls Dienste an.

„Die Tokenisierung von Immobilienvermögen ist ein zentrales Thema in der Immobilienbranche. Kaum ein anderes Thema wird derzeit so intensiv diskutiert wie die Blockchain-basierte Technologie der Tokenisierung.“
Ey Blog

In einem Blog-Beitrag von Nasdaq wird zum Beispiel vorgestellt, wie die Effizienz des Erstinvestitionsprozesses und der laufenden Verwaltung sowie der Verwaltung von Immobilienbeständen verbessert werden muss, um den Immobilienmarkt einer breiteren Investorenbasis zugänglich zu machen. Und genau hier bieten die genannten Technologien ein großes Potenzial.

Modern Workplace war gestern, morgen kommen DAOs

DAO steht für Decentralized Autonymous Organization und ist im Wesentlichen ein soziotechnisches System, das auf Web3-Technologien basiert. Im Prinzip eine Evolution der Open-Source-Bewegung, die mit Hilfe von Blockchain-Technologien unternehmensähnliche Strukturen errichten kann. Über Smart Contracts werden folgende Kernkomponenten realisiert, mit denen eine DAO ihren Betrieb sicherstellt:

  • Governance-Modelle zur Sicherstellung der Einflussverteilung durch Abstimmungsmechanismen
  • Token, die Werte wie Nutzen, Stimmrecht und Währung darstellen
  • Ein Treasury-Mechanismus zur Ausführung wirtschaftlicher Prozesse in der DAO

Die Natur einer DAO ist Dezentralisierung und Führung durch die Gemeinschaft. Entscheidungen werden hierbei von den Token-Inhabern per Abstimmung getroffen.

Kann das funktionieren? Das ist noch unklar, da sich die gesamte Web3-Szene in einem riesigen Experiment befindet. Allerdings setzen viele Investoren auf das Konzept von DAOs. Allen voran hat Andreesen Horowitz in seinem Artikel „How DAOs Could Change the Way We Work“ sogar das Ende der klassischen Unternehmensstrukturen postuliert.


Einblicke in die Welt der DAOs, Quelle deepdao.io

Das gesamte Kapital der Top-200-DAOs beträgt rund 10 Milliarden US-Dollar und zeigt, dass hier echte Geschäftsmodelle laufen.

Uniswap ist beispielsweise so eine DAO, die sehr erfolgreich als dezentraler Marktplatz für den Austausch von Kryptowährungen fungiert. Das Handelsvolumen allein im April 2022 betrug rund 35 Milliarden US-Dollar und zeigt, wie etabliert die DAO ist.

Eine DAO besteht in der Regel aus hochmotivierten, gut ausgebildeten Personen, die sich der Vision der DAO verschrieben haben und raus aus den konventionellen Arbeitsumgebungen wollen. Die dezentrale Natur gibt der DAO den Vorteil, verteilt und sehr agil zu agieren. Havard Business Review hat in wichtige Punkte aufgeführt, die DAOs besetzen und so eine weitere Veränderung unserer Arbeitswelt bewirken könnten. Durch die oben skizzierten Mechanismen zur Entscheidungsfindung und Incentivierung haben DAO-Mitglieder mehr Autonomie darüber, wo, wann und wie sie arbeiten. Auch sind die Mitwirkenden viel stärker in die Entscheidungsfindung einbezogen und können diese stärker beeinflussen, als das in der typischen Arbeitswelt möglich ist. DAOs können den Menschen mehr Freiheit geben, Projekte zu wählen, deren Mission und Vision wirklich mit ihren eigenen Werten übereinstimmen.

Und gerade diese Werte sind für die Generationen „Millennials“ und „Gen Z“ wichtige Faktoren bei der Wahl des Arbeitgebers.

Metaverse – das Überall-Internet

Eine treffende Definition des Metaverse stammt vom Finanzinformationsdienst „Investopedia“ und zeigt eine Erweiterung der virtuellen Interaktion, wie wir sie heute kennen, um Augmented und Virtual Reality und Kryptowährungen.

„Das Metaverse ist eine digitale Realität, die Aspekte von Social Media, Online-Gaming, Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR) und Kryptowährungen kombiniert, um Benutzern die virtuelle Interaktion zu ermöglichen.“
Investopedia

Hierbei gilt es zu beachten, dass es „das Metaverse“ nicht gibt, sondern eher viele verschiedene Teilaspekte der oben genannten Definition, die von unterschiedlichen Akteuren realisiert und bearbeitet werden. Darüber hinaus gab es bereits in der Vergangenheit Implementierungen mit Metaverse-Charakter – unter anderem Second Life, World of Warcraft oder jüngst Fortnite.

Den Social-Media-Aspekt versucht aktuell das Unternehmen Meta (vormals Facebook) zu besetzen. Das Unternehmen will gut 10 Milliarden US-Dollar in Aktivitäten und Produkte im Zusammenhang mit dem Metaverse investieren. Es ist zwar fraglich, ob der Konzern es schafft, seine angeschlagene Vertrauensstellung in der neuen Ära des Internets neu auszurichten, aber die Marketing- und Werbemaschine war bislang recht erfolgreich und konnte ein gigantisches Ökosystem schaffen. Es ist also zu erwarten, dass das Unternehmen seine „Meta Business Suite“, die heute noch Web2-Plattformen wie Facebook und Instagram fokussiert, entsprechende Angebote für Geschäftskunden im Metaverse entwickeln wird.

Auch andere Marktteilnehmer positionieren sich für die Zukunft. So hat McDonald’s zehn Patente registriert, die darauf abzielen, virtuelle Lebensmittel- und Getränkeprodukte sowie herunterladbare Multimediadateien mit Kunstwerken, Text, Audio- und Videodateien und nicht vertretbaren Token“ anzubieten. McDonald’s will auch Online-Einzelhandelsdienste mit virtuellen Waren anbieten. Darüber hinaus soll es künftig möglich sein, in einer virtuellen Filiale Bestellungen zu tätigen, die dann in der physikalischen Welt bis zur Tür geliefert werden. Damit wird klar, dass das Metaverse für den Handel eine große Rolle spielen könnte: Was passiert wohl, wenn mein Charakter im Metaverse mit den coolen Sneakern von Nike bekleidet einen virtuellen McDonald’s Store besucht und dort eine Bestellung aufgibt?

Auch Microsoft hat mit seiner Investition von rund 69 Milliarden US-Dollar in den Spielegiganten Activision Blizzard sein Interesse an Metaverse-Szenarien mit Gaming-Hintergrund recht deutlich gemacht. Dem Unternehmen geht es darum, zukünftige Entwicklungen in diesem Markt zu gestalten und wirtschaftlich zu nutzen. Hierbei stehen mit den oben dargestellten Elementen viele Möglichkeiten zur Verfügung, ganze Ökosysteme zu schaffen. Der Handel mit Artefakten aus Spielen wie Kleidung, Ausrüstung oder Waffen bis zur Bestellung von Speisen und anderen Gütern in die physische Welt ist hier zu erwarten.

Für Geschäftskunden ist Microsoft unter anderem mit seinen Werkzeugen zur Zusammenarbeit (M365) ein bekannter Partner. Und auch hier gibt es Bewegungen in Richtung Metaverse.

Microsoft hat im November eine Lösung für Remote-Work vorgestellt, die nun 2022 eingeführt wird: Mesh für Microsoft Teams. Die Funktion kombiniert die Mixed-Reality-Funktionen mit den Produktivitätstools von Microsoft Teams, wo Menschen an virtuellen Meetings teilnehmen, Chats senden, zusammen an gemeinsamen Dokumenten arbeiten und mehr.


Meeting im Metaverse, Quelle: Microsoft.com

Das Beispiel des Meetings im Metaverse zeigt eine Situation, in der das Gespräch in Echtzeit in die jeweilige Sprache der Teilnehmer übersetzt wird. Hier sind für die Zukunft weitere Entwicklungen für den digitalen Arbeitsplatz zu erwarten, um die typischen Berührungspunkte mit dem Unternehmen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der virtuellen Welt noch haptischer zu gestalten.

Relevant oder nicht? Der Blick aus der Vogelperspektive

Bedenkt man die Zögerlichkeit deutscher Unternehmen zu den Themen „Digitalisierung“ oder „Cloud“, so kommt man zu dem Schluss, dass wir da nicht an der Spitze liegen. Für viele Entscheiderinnen und Entscheider haben diese Themen zwar Priorität, aber laut Statista liegt Deutschland „nur leicht über dem EU-Schnitt und erreicht nur eine verhältnismäßig schwache Bewertung bei der Digitalisierung von Unternehmen". Weniger als ein Drittel der Unternehmen (29 %) tauscht demzufolge Informationen auf elektronischem Wege aus und nur 18 % der kleinen und mittleren Unternehmen stellen elektronische Rechnungen aus.

Schaut man dann auf den Anteil der Fortune-500-Unternehmen in der Welt, die aus Deutschland kommen, wird es einmal mehr Zeit, das Thema „Innovation“ ernster zu nehmen und sich als Unternehmen zu platzieren.


Anzahl der Fortune-500-Unternehmen in ausgewählten Ländern weltweit von 2000 bis 2021, Quelle: Statista, „Number of Fortune 500 companies in selected countries worldwide from 2000 to 2021“, https://www.statista.com/statistics/1204099/number-fortune-500-companies-worldwide-country/

Die Technologien, mit denen die künftige Version des Internets geschaffen wird, sind kein Hexenwerk und stellen eigentlich lediglich den nächsten Schritt der digitalen Transformation dar. Allerdings hat auch dieser Wandel längst begonnen und Unternehmen tun gut daran, ihre digitale Agenda zugunsten der Möglichkeiten im Web3 zu justieren.

Die vorgestellten Aspekte rund um Web3, Blockchain, DAOs und Metaverse zeigen, dass dort heute schon Märkte bestehen und sich bekannte Marktteilnehmer bereits entsprechend positionieren.

Bild Marcus Peters

Autor Marcus Peters

Marcus Peters ist Competence-Center-Leiter in der Line of Business Microsoft bei adesso.

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