Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Auf diese Zettel schreiben die Teilnehmer dann in mehr oder minder lesbarer Schrift ihre Ideen und Gedanken zum Workshop-Thema. Die Karten werden dann geclustert, sortiert, mit Klebepunkten bestückt oder in anderer Form weiterverarbeitet. Versteht mich bitte nicht falsch, ich will diese Form der Workshops keinesfalls ins Lächerliche ziehen, sondern finde sie sehr nützlich. Wenn allerdings ausschließlich mit diesem Formaten gearbeitet wird, dann wird der gesamte Workshop für die Teilnehmer und auch für den Moderator schnell zäh und langweilig. So passiert es häufig, dass eine „abgenutzte“ Methode die Qualität der Ergebnisse eines ansonsten wichtigen und interessanten Workshop-Themas beschädigt.

Lego Serious Play als alternative Workshop-Methode

Mit diesem Blog-Beitrag möchte ich euch eine kreative und interessante Alternative zu Klebezetteln näher bringen: Lego Serious Play® oder kurz LSP. LSP ist eine Workshop-Methode, bei der die Teilnehmer ihre Ideen und Gedanken in Form von Legomodellen erarbeiten und kommunizieren. Steine, Figuren und Verbindungen werden dabei zu Metaphern sowie zu bedeutungstragenden Elementen. Dadurch gelingt es weitaus schneller, komplexe Zusammenhänge zu begreifen, sich darüber gemeinsam auszutauschen und eine gemeinsame Sichtweise zu finden.

Im Zentrum eines jeden LSP-Workshops stehen eine oder mehrere Leitfragen, die im Workshop zu bearbeiten sind. Bevor man sich aber ins Thema wirft, stehen zunächst einmal Aufwärmübungen an, um sich wieder an das Arbeiten mit Legosteinen zu gewöhnen. Diese Aufwärmübungen werden gerne und oft unterschätzt, sind aber ein essenzieller Bestandteil dieser Methode. Sie sollten immer dann durchgeführt werden, wenn die Teilnehmer noch keine Erfahrung mit LSP haben.

Die Aufwärmübungen

Die Aufwärmübungen könnten zum Beispiel wie folgt aussehen: Jeder Teilnehmer baut mit beliebig vielen Legosteinen eine möglichst schöne Brücke. Warum eine Brücke? Und warum gerade eine schöne Brücke? Eine Brücke ist erstmal ein sehr bekannter und vielfältiger Gegenstand. Es gibt kleine Brücken, große Brücken, Bogenbrücken, Hängebrücken, Brücken über Flüsse, über Autobahnen oder auch über eine Meerenge. So kann jeder Teilnehmer beim Bau der Brücke erstmal den Umgang mit Legosteinen üben und ein erstes Erfolgserlebnis einfahren. Schön soll die Brücke sein, damit auch an die Details gedacht wird, anstatt nur drei Steine und eine Platte ineinander zu stecken und dieses Gebilde dann als Brücke zu bezeichnen. Nach erfolgreicher Fertigstellung sollten die Brücken der jeweiligen Teilnehmer einem Stabilitätstest unterzogen werden, um zu schauen, wie gut sie halten.

Die Aufwärmübungen sind damit aber noch nicht zu Ende. Als zweite Übung bauen die Teilnehmer etwas Abstrakteres, beispielsweise einen wichtigen Meilenstein in ihrem Berufsleben – sei es eine Beförderung oder ein besonders erfolgreiches Projekt. Mit dieser Übung wird das Abstraktionsvermögen der Teilnehmer trainiert, insbesondere die Fähigkeit, abstrakte Sachverhalte – etwa ein erfolgreiches Projekt − mit Hilfe von Legosteinen auszudrücken. Nachdem die Modelle erstellt wurden, muss jeder Teilnehmer der Gruppe sein Modell und damit seinen persönlichen Meilenstein erläutern.

Die Gruppe sollte das Modell dabei möglichst genau unter die Lupe nehmen und nach der Bedeutung von wichtigen Details fragen. Auf diese Weise soll der Dialog in der Gruppe über ein Legomodell und seine Bedeutung geübt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Leitsatz, dass nur der Bauherr über die Bedeutung seines Modells entscheidet und sonst niemand. Die Interpretation eines Modells durch Dritte hat bei LSP keinerlei Aussagekraft. Stattdessen sollte man immer den Bauherrn fragen, was ein bestimmtes Element bedeutet.

Verwendet der Bauherr zum Beispiel einen Elefanten als Symbol für ein wichtiges Mitglied der Unternehmensführung und erläutert, dass der Elefant für ihn ein positiv belegtes Tier ist, dann sollte diese Interpretation gelten. Eine Umdeutung in etwas Negatives – etwa den bekannten „Elefant im Porzellanladen“ − ist nicht zulässig.

Das eigentliche Workshop-Thema

Nach diesen zwei Übungen, die typischerweise eine gute Stunde in Anspruch nehmen, widmen sich die Teilnehmer nun dem eigentlichen Workshop-Thema. Hier ist es wichtig, eine möglichst gute Leitfrage für den Workshop zu finden. Nehmen wir als Beispiel folgende Frage: „Wie sieht die perfekte Zusammenarbeit in eurem Bereich aus?“ Ausgehend von dieser Frage können die Teilnehmer nun ihr eigenes Legomodell über die perfekte Zusammenarbeit bauen. Hier sollte sich der Workshop-Leiter in jedem Fall Zeit lassen, damit die Teilnehmer ein Modell erstellen können, das ihre Gedanken widerspiegelt. Sind die Modelle fertig, geht es an die Erläuterung und zwar nach demselben Format, wie in den Aufwärmübungen. Jeder Teilnehmer stellt sein Modell vor und die anderen Teilnehmer dürfen Fragen stellen. Schon bei der Vorstellung der einzelnen Modelle entwickeln sich in der Regel intensive Diskussionen über die Fragestellung.

Nachdem alle Modelle vorgestellt und diskutiert wurden, können die verschiedenen Ideen zur Fragestellung in ein gemeinsames Modell überführt werden. Hierbei können bestehende Modelle kombiniert werden oder es können auch vollkommen neue Modelle entstehen. Wichtig dabei ist, dass sich die Gruppe einig darüber ist, was in das Modell eingebaut wird und was nicht. Schließlich soll am Ende ein Teammodell, also eine gemeinsame Sicht auf den Sachverhalt, entstehen. Aufbauend auf dem Teammodell können weitere Modelle zu Details rund um die Fragestellung entwickelt werden.

Am genannten Beispiel der Fragestellung zur perfekten Zusammenarbeit können positive oder negative Einflussfaktoren gebaut werden. Diese Einflussfaktoren können dann mit den betreffenden Teilen des Teammodells verbunden werden. Die möglichst plastische Visualisierung der Verbindung zwischen Einflussfaktor und Teammodell ist wichtig, um deutlich zu machen, welcher Teil des gemeinsamen Modells durch den Einflussfaktor betroffen ist. Mit der Modellentwicklung können sich die Teilnehmer eines Workshops gut und gerne drei bis vier Stunden oder auch länger befassen.

Dies war lediglich ein Beispiel für einen Workshop mit LSP. Wie ihr euch vorstellen könnt, gibt es noch viele weitere Formate, wie man einen solchen Workshop gestalten könnte.

Fazit

Zusammengefasst kann man festhalten, dass Legosteine ein sehr vielfältiges Instrument sind, um die eigenen Ideen zu visualisieren und darüber zu diskutieren. Ein weiterer Vorteil von LSP besteht darin, dass die Idee nicht nur durch Sprache, sondern auch durch ein konkretes Legomodell transportiert wird. So hat jeder Teilnehmer des Workshops die Möglichkeit, die Ideen der Anderen nicht nur zu hören oder auf Klebezetteln zu lesen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Nach meiner bisherigen Erfahrung sind die Diskussionen in einem LSP-Workshop sehr intensiv und fokussiert, gerade weil die Ideen so plastisch dargestellt werden können. Die Angst davor, mit Spielzeug zu arbeiten, verfliegt typischerweise sehr schnell. Die Legosteine treten im Gespräch meist sehr schnell in den Hintergrund und werden nicht mehr als Spielzeug wahrgenommen, sondern als Bedeutungsträger für die Bestandteile der Fragestellung des Workshops.

Wesentlich für den Erfolg eines LSP-Workshops ist der Moderator. Er ist sogar wichtiger als die Steine, denn seine Aufgabe besteht unter anderem darin, die Teilnehmer immer wieder zurück auf die ursprüngliche Fragestellung zu lenken. Weiterhin muss der Moderator dafür sorgen, dass die Teilnehmer ihre Gedanken nicht nur aussprechen, sondern auch in Form von Legomodellen aufbauen und visualisieren. Nützlich für die Ergebnissicherung können dedizierte Protokollanten sein, die die Gespräche über die Modelle und die Bedeutung der Modelle mitschreiben. Diese Aufgabe sollte jedoch nicht vom Moderator übernommen werden, da er sich darauf konzentrieren muss, dem Inhalt der Diskussion zu folgen.

Kennt ihr diese Methode bereits oder möchtet ihr sie gerne selbst einmal ausprobieren? Ich freue mich auf eure Kommentare.

Bild Kim Lauenroth

Autor Dr. Kim Lauenroth

Dr. Kim Lauenroth ist Chief Requirements Engineer bei adesso und verfügt über mehr als 10 Jahre Erfahrung im Software und Requirements Engineering in verschiedensten Domänen. Er spricht regelmäßig zum Thema RE auf internationalen Tagungen und engagiert sich an Hochschulen und im IREB e.V. für die Aus- und Weiterbildung im Requirements Engineering.

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