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Warum sollte UX gemessen werden?

Allgemein sollte beim Zusammenspiel der UX KPIs und der UX-Unternehmensziele darauf geachtet werden, dass die UX-Ziele die generellen Unternehmensziele stützen. Mittels der festgelegten UX KPIs wird so die Möglichkeit geschaffen, den Beitrag von User Experience zum Unternehmenserfolg sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Die Auswahl der generellen Unternehmensziele ist meist eine Mischung aus wirtschafts-, marketing- und kundenzentrierten Zielen und daher sollten auch die UX KPIs alle diese Bereiche abdecken.

Für das Messen von UX KPIs gibt es viele Gründe. Da wäre zum einen das Stakeholder-Management. Argumente, die auf Zahlen und Fakten basieren, sind die bessere Ausgangslage für eine erfolgreiche Überzeugungsleistung. Ohne etwaige Metriken lässt sich zu keinem Zeitpunkt feststellen, ob die eingesetzten Maßnahmen effektiv beziehungsweise effizient waren. Mit belastbaren Daten könnt ihr besser argumentieren und eventuell auch bei der nächsten Budgetplanung mehr für euch und euer UX Team rausholen.

Ein weiterer Messgrund ist das UX Benchmarking. Zunächst solltet ihr herausfinden, wo ihr aktuell mit eurem Unternehmen oder Projekt in Bezug auf UX stehst. Dann könnt ihr auch eure UX-Ziele anpeilen und euch Schritt für Schritt diesen Zielen nähern. Mit euren UX KPIs könnt ihr prüfen, ob ihr noch auf dem richtigen Weg seid und gegebenenfalls eingreifen. Es ist außerdem möglich, euer Unternehmen, Projekt oder auch Produkt mit Mitbewerbern oder auch nur intern zu vergleichen. Wenn es gut läuft, schafft ihr es so, eure Erfolge sichtbar zu machen.

UX KPIs dienen des Weiteren als ein Frühwarnsystem um festzustellen, ob ihr in manchen Punkten eingreifen solltet, weil gerade etwas schiefläuft. KPIs sind ja nicht einfach nur Zahlen, sondern die Zahlen sagen auch etwas aus. Es gibt sehr hohe, damit sind meist gute Werte gemeint, es gibt aber auch niedrige und alarmierende Werte, die besser nicht ignoriert werden sollten.

Was sind UX KPIs allgemein?

Zunächst sollte erst einmal klargestellt werden, dass es einen Unterschied zwischen UX KPIs und UX-Metriken gibt. Letztere versuchen die User Experience zu messen und in Zahlen umzuwandeln. Häufig werden diese Metriken innerhalb von Usability-Tests erfasst und sind deshalb produktbezogen.

UX KPIs hingegen sind Leistungskennzahlen, die über einen festgelegten Zeitraum erhoben und anschließend ausgewertet werden, um den Erfolg der eingesetzten UX-Maßnahmen innerhalb eines Unternehmens zu messen. Sie übersetzen die Erfolgsfaktoren des Unternehmens oder der Software in ein Zahlenformat und decken so Erfolge und Misserfolge auf. Sie geben Auskunft darüber, ob ein Unternehmen seinen festgelegten UX-Zielen näherkommt oder sie gar erreicht hat.

UX-Kennzahlen und Metriken besitzen die schwierige Aufgabe, menschliches Verhalten, Meinungen und Empfindungen in ein interpretierbares Zahlenformat zu bringen. Außerdem sind sie für jedes Projekt verschieden und sollten deshalb immer ganz individuell festgelegt werden. Da auch jedes Unternehmen unterschiedliche UX-Ziele verfolgt, gibt es zahlreiche UX KPIs mit vielfältigen Schwerpunkten.

Welche Arten von UX KPIs und Metriken gibt es?

UX KPIs bezogen auf eine Organisation

Die organisationalen UX KPIs geben Auskunft darüber, wie fortgeschritten Unternehmen im Bereich UX sind.

  • UX Budget
    • Diese Kennzahl steht für den verfügbaren Betrag, den ein Unternehmen für sämtliche UX-Maßnahmen zur Verfügung hat.
  • Anzahl der UX Professionals
    • Die Anzahl der Mitarbeitenden eines Unternehmens, die eine UX Rolle ausüben – zum Beispiel Usability Engineer, Usability Tester oder UX Designer.
  • Anzahl der UX-Maßnahmen
    • Die Anzahl der UX-Maßnahmen bezieht sich auf die Häufigkeit der eingesetzten UX-Methoden – beispielsweise User Research oder Usability-Tests.
  • UX-Reifegrad
    • Der UX-Reifegrad einer Organisation ergibt sich aus der Zusammenfassung der oben genannten KPIs – zum Beispiel UX Budget, Anzahl der UX Professionals und Anzahl der UX-Maßnahmen. Eine Verbesserung der UX KPIs bedeutet demnach auch immer eine Erhöhung des UX-Reifegrads.
UX-Metriken bezogen auf einen Nutzer

Bei den nutzerzentrierten UX-Metriken wird häufig zwischen verhaltensbezogenen (was sie tun) und einstellungsbezogenen (was sie sagen) Metriken unterschieden. Die verhaltensbezogenen Metriken drücken aus, was ein Nutzer effektiv tut und wie er mit einem Produkt interagiert. Das sind eher die kostengünstigen Metriken, da sie ohne viel fremde Hilfe erhoben werden können. Es ist beispielsweise kein zeitaufwändiges Interview notwendig, sondern die Zahlen lassen sich meist automatisiert erheben. Die einstellungsbezogenen Metriken messen die Gefühlssituation beziehungsweise die verbalen Äußerungen der Nutzer vor, während und nachdem diese ein Produkt genutzt haben. Diese Formen der Metriken können während Usability-Tests gemessen oder innerhalb von Umfragen erhoben werden.

  • Verhaltensbezogene Metriken
    • Aufgabenerfolgsrate (Task Success Rate  TSR)

Anteil der Nutzer, die eine Aufgabe innerhalb eines Usability-Tests erfolgreich beenden. Voraussetzung ist, dass die Aufgabe einen festdefinierten Endpunkt hat.

  • Zeit pro Aufgabe (Time on Task - ToT)

Zeit, die ein Nutzer durchschnittlich benötigt, um eine gestellte Aufgabe erfolgreich zu beenden. Hier wird häufig die durchschnittliche Zeit als finale UX-Metrik verwendet. Je weniger Zeit ein User zum Abschließen einer Aufgabe braucht, desto besser ist die Nutzererfahrung.

  • Navigation vs. Suche (Navigation vs. Search - NvS)

Anteil der Nutzer, die für eine festgelegte Aufgabe die Website-Navigation genutzt haben, im Vergleich zum Anteil der Nutzer, die für die gleiche Aufgabe die Suchfunktion genutzt haben. Je mehr User die Navigation verwendet haben, desto besser ist das Nutzererlebnis. Welche Ratio dieser Metriken wünschenswert ist, sollte immer individuell festgelegt werden.

  • Nutzerfehlerrate (User Error Rate - EOR oder ER)

Die UER gibt Auskunft darüber, wie häufig ein User eine unbeabsichtigte Aktion ausführt, falsche Eingaben tätigt oder gar wichtige Aktionen weglässt. Im Gegensatz zur Task Success Rate ist hier eine möglichst geringe Zahl erstrebenswert. Jedoch muss auch hier individuell festgelegt werden, welche Aktionen einen Fehler darstellen. Mit Hilfe der Nutzerfehlerrate soll ein Eindruck darüber vermittelt werden, wie benutzerfreundlich die Anwendung aufgebaut ist bzw. wo Verständnisprobleme liegen. Es gibt für diese Metrik zwei unterschiedliche Berechnungsmöglichkeiten – Error Occurrence Rate (EOR) sowie Error Rate (ER).

Einstellungsbezogene Metriken

Zu den einstellungsbezogenen Metriken gehören die Post-Test Satisfaction Ratings und die Post-Task Satisfaction Ratings. Hier werden zunächst zwei Fragebögen vorgestellt, welche sich auf den Gesamteindruck des Users nach einem kompletten Test beziehen und anschließend ein Fragebogen in Bezug auf eine kürzlich erledigte Aufgabe.

Nutzerfreundlichkeitsskala (System Usability Scale - SUS)

Ein Fragebogen, der die empfundene Nutzerfreundlichkeit mittels zehn Aussagen, zu denen jeweils fünf Einschätzungen getroffen werden können, erhebt. Das Resultat dieses Fragebogens ist der SUS-Score, der zwischen 0 und 100 liegt und im Schnitt 68 betragen sollte. Alles was darüber liegt, wird als positiv gewertet.

Fragebogen zur Benutzererfahrung (User Experience Questionnaire - UEQ)

Dieser Fragebogen gibt das subjektive Nutzererlebnis durch 26 gegensätzliche Adjektivpaare wieder, welche auf einer Skala von eins bis sieben in ihrer Ausprägung bewertet werden. Jeder Bewertung wird eine Zahl zwischen -3 und +3 zugeordnet. Aus den Aussagen wird der Mittelwert gezogen und kann wie folgt bewertet werden:

< -0,8 = negativ;
-0,8 bis +0,8 = neutral;
> 0,8 = positiv

Fragebogen nach der Aufgabe (After Scenario Questionnaire - ASQ)

Der ASQ gehört zu den Zufriedenheitsbewertungen nach einer Aufgabe (Post-Task Satisfaction Ratings). Diese Form der Bewertung bezeichnet die Messung der Usability in Bezug auf die Aufgabenbewältigung. Hierfür bewerten die User mittels des ASQ direkt nach dem Erledigen einer Aufgabe die Usability. Dieser Fragebogen umfasst drei Fragen und liefert als Ergebnis einen einfach zu interpretierenden Wert.

UX KPIs bezogen auf das Marketing

Die marketingzentrierten Metriken sind wohl die bekanntesten. Sie überprüfen, wie erfolgreich verkaufsfördernde Maßnahmen sind oder waren und wie die Weiterempfehlungsrate ist.

Umwandlungsrate (Conversion Rate - CR)

Die Conversion Rate bezeichnet den prozentualen Anteil der Besucher einer Website, die ein angesehenes Produkt auch kaufen. Eine Conversion Rate größer 10 Prozent ist sehr gut. In Onlineshops liegt diese Rate eher zwischen 3 und 5 Prozent. Zur Optimierung der Conversion können Maßnahmen ergriffen werden, wie zum Beispiel die Verbesserung der Usability.

Promotorenüberhang (Net Promoter Score - NPS)

Der Net Promoter Score gehört auch zu den einstellungsbezogenen Metriken und misst auf einer Skala von 0 bis 10 die Wahrscheinlichkeit, inwiefern Kunden ein Produkt und/oder eine Dienstleistung weiterempfehlen würden. Den größten Anteil machen die Detraktoren aus, da ihre Antworten zwischen 0 und 6 liegen. Als Indifferente werden Personen bezeichnet, die Werte zwischen 7 und 8 wählen. Echte Promotoren sind somit nur Personen, die 9 oder 10 angeben. Der NPS bewegt sich zwischen -100 und +100. Im Allgemeinen wird er von 0 – 50 als gut, von 51 – 75 als sehr gut und über 75 als außergewöhnlich bezeichnet. Die meisten Unternehmen bewegen sich zwischen 20 und 40.

UX KPIs bezogen auf die Wirtschaft

Von wirtschaftszentrierten UX KPIs ist die Rede, wenn durch UX-Optimierungen Zeit und Geld gespart werden können. Zum Beispiel lässt sich der Return on Investment (ROI), als Maß für das Kosten-Nutzen-Verhältnis, auf UX-Maßnahmen zurückführen. Wird eine neue Funktion oder ein neues Produkt umgesetzt, soll dadurch beim Endnutzer ein spürbarer Nutzen entstehen. Mit Hilfe der Bemessung des Kundennutzens anhand des tatsächlichen Marktbedarfs kann das Umsetzungspotenzial und die Relevanz bestimmt werden. Der Indikator „Kundennutzen“ kann demnach als wichtige Entscheidungshilfe dienen, um Kosten einzusparen oder den korrekten Fokus zu setzen.

Welche Kennzahlen sind die geeigneten?

Nachdem nun die unterschiedlichen UX KPIs und Metriken bekannt sind, solltet ihr euch die Frage stellen, welche dieser Kennzahlen die passenden für euer Unternehmen / Projekt sind.Das lässt sich in drei Schritten herausfinden.

Am einfachsten lässt sich das Ziel festlegen, indem du folgende Frage beantwortest: Wie soll sich das Leben der User durch eine gute User Experience verbessern? Eine solche Zielbeschreibung kann zum Beispiel folgendes sein: Für Mitarbeitende eines Dienstleisters soll es mit Hilfe einer Applikation schnell und einfach möglich sein, Arbeitsstunden zu erfassen.

Die zugehörigen Indikatoren zum festgelegten Ziel sollen darauf hindeuten, wie du diesem Ziel näherkommen kannst. Im Zeiterfassungsbeispiel wäre ein geeigneter Indikator zum Beispiel der Zufriedenheitsgrad.

Im letzten und wohl schwierigsten Schritt werden die Kennzahlen bestimmt, mit deren Hilfe die Zielerreichung gemessen werden kann. Um unseren Indikator „Zufriedenheit“ messbar zu machen, wählen wir hier die Kennzahlen des Net Promoter Score (NPS) und des User Experience Questionnaire (UEQ).

Fazit

Das Messen, Analysieren und Bewerten von UX-Kennzahlen ergibt zu jedem Zeitpunkt Sinn. Je früher damit begonnen wird, desto schneller lassen sich Vergleichszahlen ziehen. Der Vorteil des konstanten Heranziehens von UX KPIs und Metriken zeigt sich in folgenden drei Punkten:

  • Frühes Aufdecken von Schwachstellen und Problemen
  • Eine belastbare und argumentative Grundlage für den Erfolg des geleisteten UX Engagements, um besonders intern valide Entscheidungen treffen zu können und allgemein das Thema UX weiter voranzutreiben
  • Integration einer kompletten UX-Strategie
Bild Eva-Maria  Kynast

Autorin Eva-Maria Kynast

Eva-Maria Kynast ist seit viereinhalb Jahren für adesso als Consultant tätig und arbeitet seither in verschiedenen Projekten der GEMA, des Statistischen Bundesamts und des TÜV SÜD. Ihren Arbeitsschwerpunkt bilden hierbei das Requirements Engineering und UX Design. Darüber hinaus ist sie Trainerin der adesso-Schulung „Usability und User Experience Design Basics“.

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