Drei Personen sitzen an einem TIisch

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Wer IT-Dienstleistungen anbietet, wird immer öfter nach der Nachhaltigkeit des Betriebs gefragt. Um die eigene Energieeffizienz jederzeit nachweisen zu können, ist fortlaufendes Energiemanagement notwendig. Diverse Normen und Richtlinien geben den Rahmen dafür vor.

Audit im Rechenzentrum

Das eigene Rechenzentrum ist ein Stromfresser. Gezielte Maßnahmen können den Energiehunger jedoch deutlich senken. Für Großunternehmen schreibt die Energieeffizienzrichtlinie (2012/27/EU) ein regelmäßiges Audit vor. Alternativ ist ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 nachzuweisen, beziehungsweise ein Umweltmanagementsystem nach EMAS. Für kleine und mittlere Unternehmen kann ein freiwilliges Energieaudit nach der europäischen Norm EN 16247 sinnvoll sein, denn es hilft, Kosten zu senken, und das Zertifikat beweist Umweltbewusstsein.

Sowohl ein Energieaudit nach EN 16247 als auch die Zertifizierung eines Managementsystems nach ISO 50001 müssen von einer unabhängigen, qualifizierten Auditgesellschaft durchgeführt werden. Für eine freiwillige Sache klingt das teuer. Bis zu 80% der Kosten werden jedoch vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle übernommen, wenn sich das Unternehmen für die Bundesförderung für Energieberatung für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme qualifiziert.

Am Anfang aller Optimierungen steht immer die Sichtung des Status Quo. Dabei wird zuerst die Dokumentation des Rechenzentrums ausgewertet, aus der die Leistungsaufnahme aller Geräte hervorgehen sollte. Anschließend werden die Energieflüsse im laufenden Betrieb gemessen. Auf Basis der gesammelten Fakten werden Einsparpotenziale analysiert und ein Maßnahmenplan vorgeschlagen.

Die Umsetzung des Maßnahmenplans ist nun der Betreiberfirma überlassen. Anschließend liegt es nahe, das optimierte, energieffizente Rechenzentrum zertifizieren zu lassen. Ein gängiges Zertifikat ist zum Beispiel das Energieeffiziente Rechenzentrum vom TÜV Rheinland. Wenn das Rechenzentrum auch über den reinen Stromverbrauch hinaus umweltfreundlich betrieben wird, lohnt ein Blick auf den Blauen Engel Energieeffizienter Rechenzentrumsbetrieb.

Energiemanagement

Statt alle vier Jahre ein neues Audit durchführen zu lassen, bietet sich die Einführung eines Energiemanagementsystems an. Es muss zwar jedes dritte Jahr neu zertifiziert werden, allerdings werden dann nur noch Stichproben geprüft. Der Leitfaden Energiemanagementsysteme in der Praxis hilft mit konkreten Tipps und Praxisbeispielen.

Ausgangspunkt ist immer das Ergebnis eines Audits nach EN 16247. Die Sammlung und Bewertung von Energieleistungskennzahlen muss dann in die Unternehmensprozesse integriert werden. Das ermöglicht fortlaufende Verbesserungen der Effizienz, während eine eventuelle Verschlechterung des Strombedarfs schnell erkannt und behoben werden kann.

Energieleistungskennzahlen sind relative Größen, das heißt, sie setzen eine absolute Kennzahl zu einer anderen Größe in Beziehung. Absolute Energiekennzahlen sind zum Beispiel die Energiekosten, der Primärenergieverbrauch oder die Treibhausgasemissionen. Andere absolute Kennzahlen über das Unternehmen wären etwa der Umsatz, die Gebäudefläche, die Anzahl an Mitarbeitenden oder die Produktionszahlen. Über die Effizienz eines Unternehmens sagen sie erst etwas aus, wenn man sie dividiert. Das ergibt beispielsweise den Primärenergieverbrauch pro Quadratmeter Gebäudefläche, die Treibhausgasemissionen je produzierter Menge oder die Energiekosten pro Euro Umsatz. Die wohl häufigste Kennzahl ist der spezifische Energieverbrauch; das ist der Gesamtenergieverbrauch im Verhältnis zu einer anderen Größe wie Bürofläche, Personenanzahl oder die Anzahl produzierter Stücke.

Richtig eingesetzt kann ein Energiemanagementsystem dazu beitragen, den Wert eines Unternehmens systematisch zu steigern, wenn folgende sechs Punke beachtet werden.

Orientierung am Wesentlichen

Stellen Sie die zwei bis drei Betriebsprozesse, die den größten Energieverbrauch aufweisen, in den Mittelpunkt. Dort sind die umfangreichsten Einsparpotenziale zu vermuten.

Selbststeuerung durch Etablierung von Regelkreisen

Berechnen Sie für die ausgewählten Betriebsprozesse zunächst Energieleistungskennzahlen und bestimmen Sie für jede Kennzahl eine verantwortliche Person. Die Verantwortlichen entwickeln regelmäßig Ideen für Maßnahmen zur Einsparung von Energie und zur Verbesserung der Energieeffizienz. Vereinbaren Sie mit ihnen anspruchsvolle, aber erreichbare Planwerte als Ziele. Setzen Sie wirtschaftlich sinnvolle Effizienzverbesserungsmaßnahmen auch wirklich um! Mit regelmäßigen Abweichungsanalysen können Sie die Zielerreichung prüfen und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen ergreifen.

Bottom-Up-Festlegung von Energieeinsparzielen

Einsparziele sollten anspruchsvoll, aber vor allem erreichbar sein. Überlegungen zur Zielerreichbarkeit setzen prozessbezogenes Wissen voraus, das eher bei den Prozessverantwortlichen liegt als bei der Unternehmensleitung. Entwickeln Sie also Anreize, um die Mitarbeitenden dazu zu bewegen, anspruchsvolle Ideen zur Reduzierung des Energieverbrauchs zu entwickeln und auch umzusetzen.

Integration in vorhandene Steuerungsstrukturen

Vermeiden Sie eine aufwändige Insellösung im Unternehmen! Häufig bietet es sich an, das Energiemanagement ins vorhandene Controlling oder andere etablierte Abläufe zu integrieren. Wichtig ist, dass das Energiemanagementsystem nicht als reine Dokumentationsaufgabe verstanden wird. Es darf auch keine Parallelstruktur neben den eigentlichen Unternehmensprozessen bilden.

Fokus auf betriebswirtschaftlichem Nettoerfolg

Die Ausrichtung auf den Unternehmenserfolg verlangt, Energieeffizienzmaßnahmen nur dann umzusetzen, wenn ein betriebswirtschaftlicher Nettoerfolg zu erwarten ist. Als Bewertungsinstrument empfiehlt der Leitfaden die Kapitalwertmethode, um den Nettoerfolg als Steigerungsbeitrag des Unternehmenswertes zu ermitteln. Von der Amortisationszeitmethode wird abgeraten, weil sie systematische Schwächen aufweist, die sich speziell im Energieeffizienzbereich auswirken.

Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen

Ideen und deren Bewertungen sollten zu Entscheidungsvorlagen aufbereitet werden. Auf welche Weise Verbesserungsideen ökonomisch bewertet werden, sollte möglichst früh feststehen. Das vermeidet Frustration bei den Verantwortlichen, wenn ihre Vorschläge aufgrund neu erfundener Kriterien abgewiesen werden. Was die Durchsetzung von Verbesserungsmaßnahmen angeht, müssen geeignete Vorgehensweisen etabliert werden.

In der Cloud

Die Energieeffizienz einer Cloud-Anwendung lässt sich nicht direkt messen. Führende Anbieter von Cloud-Hosting haben die Nachfrage aber erkannt und bieten Energierechner an.

Ein damit ermitteltes Emissionsprofil verdeutlicht die Bruttoemissionen in der Cloud im Laufe der Zeit nach Projekt, Produkt und Region. Diese Messwerte können dem Entwicklungsteam helfen, die CO2-Bilanz ihrer Anwendungen zu verbessern. Darüber hinaus sind sie relevant für den eigenen Nachhaltigkeitsbericht.

Auswahl einer passenden Variante

Aus Kundensicht ist Nachhaltigkeit zunehmend ein Auswahlkriterium. Darüber hinaus ist die Senkung des Stromverbrauchs eng mit der Optimierung von Betriebsprozessen und laufenden Kosten gekoppelt. Energieaudits und die entsprechenden Zertifikate sind daher auch dann nützlich, wenn sie nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. Besonders ein fest in die Abläufe integriertes Energiemanagement nach ISO 50001 steigert den Unternehmenswert und das Image gleichermaßen.

Alle Unternehmen, die nicht unter die Kriterien für kleine und mittlere Unternehmen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fallen, sind gesetzlich verpflichtet, mindestens alle vier Jahre ein Energieaudit durchzuführen oder ein zertifiziertes Managementsystem zu implementieren. In vielen Betrieben sind bereits ein ISO-9001-Qualitätsmanagementsystem sowie ein ISO-14001-Umweltmanagementsystem implementiert. Sie können diese und das Ergebnis ihres letzten Energieaudits nutzen, um mit relativ geringem Aufwand ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 aufzubauen. Wenn nur ein ISO-14001-Umweltmanagementsystem zur Verfügung steht, liegt die Weiterentwicklung zum EMAS-Umweltmanagementsystem nahe. Nur für Unternehmen, die noch kein derartiges Managementsystem haben, lohnt sich ein reines Energieaudit nach EN 16247.

Umweltmanagementsysteme nach EMAS und nach ISO 14001 dürfen nicht verwechselt werden, auch wenn sie eine große Schnittmenge aufweisen. Die Anforderungen aus ISO 14001 wurden wortgleich nach EMAS übernommen. Das heißt, EMAS umfasst ISO 14001, geht jedoch darüber hinaus: EMAS-zertifizierte Organisationen verpflichten sich zu einer kontinuierlichen Verbesserung ihrer Umweltleistung. Ob die geplanten Verbesserungen tatsächlich erreicht wurden, muss regelmäßig überprüft werden.

Als Ersatz für ein regelmäßig wiederholtes Energieaudit zählt nur ein ISO-50001-Energiemanagementsystem oder ein EMAS-Umweltmanagementsystem. Ein ISO-14001-Umweltmanagementsystem allein befreit nicht von der Pflicht, alle vier Jahre ein neues Audit durchzuführen; auch dann nicht, wenn es um ein ISO-9001-Qualitätsmanagementsystem ergänzt wird. Ein Upgrade der Managementsysteme auf EMAS ist daher dringend geboten.

Bild Corinna John

Autorin Corinna John

Corinna John ist Senior Software Engineer bei adesso in Hannover. Ihr Schwerpunkt liegt in der C#-Entwicklung.

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