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Das Recruiting befindet sich aktuell im Wandel. Zum einen werden die Bewerbungsprozesse zunehmend digitaler, zum anderen steigt die Erwartungshaltung der Bewerber an die Unternehmen. Lange, umständliche Bewerbungsabläufe sind längst nicht mehr zeitgemäß und den Bewerberinnen und Bewerbern ein Dorn im Auge. Eine (teil-) automatisierte Bewerbervorauswahl durch den Einsatz von Algorithmen bietet eine Möglichkeit, die Bearbeitungszeit zu minimieren. Was bereits von Online-Dating-Plattform bekannt ist, ist das sogenannte Matching. Hier vermittelt eine Software zwei Personen anhand bestimmter Kriterien. Im Recruiting ist das vergleichbar. Hier wird versucht, geeignete Bewerber anhand relevanter Fähigkeiten und Kenntnisse für eine ausgeschriebene Stelle zu finden. Durch die Automatisierung versprechen sich Unternehmen, neben der Zeit- und Kostenersparnis, vor allem eine höhere Objektivität bei der Personalentscheidung.

Doch liefert das Matchen wirklich den erhofften zeitlichen Mehrwert und werden in Zukunft überhaupt noch menschliche Recruiter benötigt? Diese Fragen wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit in Zusammenarbeit mit einem internen Bewerbermanagement eines Beratungsunternehmens untersucht. Dieser Blog-Beitrag soll einen Einblick in die Arbeit geben und die Ergebnisse der Untersuchung vorstellen.

Wie funktionieren Matching-Algorithmen in der Bewerbervorauswahl?

In den heutigen Online-Bewerbungsprozessen kommen häufig große Datenmengen aus unterschiedlichen Dokumenten – etwa Lebensläufen oder Zeugnissen – zusammen. Die darin enthaltenen Informationen müssen für eine erste Vorauswahl zunächst aufwändig durch einen Recruiter aus den Bewerbungsunterlagen gefiltert und anschließend mit den Anforderungen der jeweiligen Stelle abgeglichen werden. Für diese Aufgabe kommen in Unternehmen zunehmend Algorithmen zum Einsatz, die einen automatisierten Passungsabgleich ermöglichen. Dabei werden vorab stellenspezifische Auswahlfaktoren wie Hard- und Soft Skills von Recruiter und Fachabteilung festgelegt und entsprechend der Relevanz gewichtet. Nachdem die Bewerberdaten, zum Beispiel durch einen CV-Parser, in strukturierter Form vorliegen, werden diese anschließend mit den Stellenanforderungen durch den Algorithmus abgeglichen, bewertet und passende Kandidatinnen und Kandidaten teilweise bereits vorselektiert. Der Abgleich kann dabei durch einen einfachen Soll/Ist-Vergleich der Skill-Ausprägungen erfolgen. Das geschieht in Form von numerischen Werten, durch keyword-basiertes und semantisches Matching oder durch Typisierung auf Basis von bewerberseitigen Persönlichkeitseinschätzungen.

Der Einsatz eines automatisierten Matchings in der Praxis

Um den zeitlichen Mehrwert eines automatisierten Matchings in der Bewerbervorauswahl herauszufinden, wurde ein Zeitreihenversuch mit vier Recruitern eines Unternehmens durchgeführt. Dabei wurde zunächst der aktuell entstehende Zeitaufwand innerhalb eines Zeitraums von fünf Werktagen in den angefallenen Vorauswahlprozessen mit Hilfe von Befragungen ermittelt. Der neu entwickelte Algorithmus, der auf den Abgleich von Hard Skills ausgelegt war, kam anschließend in einer zweiten Messung zum Einsatz.

Grundlage für den Abgleich waren die Skill-Ausprägungen der jeweiligen Stellenanforderungen sowie die Selbsteinschätzungen der Bewerberinnen und Bewerber diesbezüglich. Diese wurden bei einer Bewerbung zusätzlich darum gebeten, Fragen über die für die jeweilige Stelle relevanten Kompetenzen über einen Chatbot zu beantworten. Die Einschätzungen wurden anschließend durch den Algorithmus mit den Stellenanforderungen verglichen, woraus ein Matching-Ergebnis resultierte. Dieses stand den Recruitern während den Vorauswahlprozessen im zweiten Messzeitraum als zusätzliche Information zur Verfügung. Die benötigte Bearbeitungszeit wurde anschließend erneut mit Hilfe von Befragungen ermittelt und mit dem Ergebnis der ersten Messung gegenübergestellt.

Die Ergebnisse der Untersuchung

In den Messzeiträumen wurde der Bearbeitungsaufwand von insgesamt 70 Vorauswahlprozessen ermittelt. Bei der Untersuchung konnte zwischen beiden Messzeiträumen eine Zeitersparnis von durchschnittlich 1 Minute 21 Sekunden pro Vorauswahlprozess festgestellt werden. Der zeitliche Aufwand wurde somit um rund 31% im Vergleich zur gemessenen Bearbeitungszeit ohne Matching-Algorithmus reduziert.

Neben der festgestellten Aufwandsreduzierung wurden die Recruiter zudem um Feedback zur Qualität des Matchings gebeten. Besonders die grafische Darstellung des Matching-Ergebnisses wurde während der Messung als hilfreich empfunden. Hierdurch waren relevante Informationen auf den ersten Blick erkenntlich und erleichterten den Bearbeitungsaufwand. Außerdem wies das Ergebnis auf weitere Informationen hin, die sonst zunächst unbekannt geblieben wären – etwa die Reisebereitschaft der Bewerberinnen und Bewerber.

Allerdings wäre es zukünftig von Vorteil, wenn zugleich Kompetenzen abgefragt werden, die nicht ausschließlich im direkten Zusammenhang mit den Stellenanforderungen stehen. Bei einer Abweichung zwischen dem Matching-Ergebnis und der festgestellten Bewerberpassung der Recruiter kam es außerdem zum Teil zu einem Mehraufwand bei der Bearbeitung. Wünschenswert wäre hier eine stellenspezifische Gewichtung der Skills, um so die Aussagekraft über die prognostizierte Passung zu verbessern.

Fazit

In der durchgeführten Untersuchung konnte mit Hilfe des eingesetzten Matching-Algorithmus eine Reduzierung der Bearbeitungszeit in der Bewerbervorauswahl des Unternehmens erzielt werden. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Ergebnisse aufgrund der geringen Stichprobengröße als nicht allgemeingültig betrachtet werden können. Fest steht jedoch, aktuelle Matching-Lösungen sind noch nicht in der Lage den gesamten Recruiting-Prozess vollautomatisch zu übernehmen. Grund hierfür sind unteranderem die notwendigen zwischenmenschlichen Interaktionen, die eine Reihe an sozialen Kompetenzen und zwischenmenschlichen Fähigkeiten erfordern. Diese können nicht vollständig von Maschinen übernommen werden.

Auch unter der Berücksichtigung, als Bewerber rein auf Basis maschineller Entscheidungen eingestellt oder abgelehnt zu werden, spielt aus ethischen Gründen und im Hinblick auf die Candidate Experience eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Matching-Algorithmen sollten den menschlichen Recruiter daher nicht vollständig ersetzen, sondern vielmehr als zusätzliches Hilfsmittel in der Bewerbervorauswahl eingesetzt werden.

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Bild Julian Anhorn

Autor Julian Anhorn

Julian Anhorn ist als Softwareentwickler im Insurance-Bereich bei adesso tätig. Seine Schwerpunkte liegen in der Entwicklung von Java-Applikationen, der Webentwicklung sowie der Entwicklung von Chatbots. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Visualisierung und Analyse großer Datenmengen.

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