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Der Umzug von Dokumenten aus einem Laufwerk nach SharePoint scheint simpel: Per Copy-and-paste sind nach kurzer Wartezeit alle Dokumente und Ordner vorhanden. Also könnten die User doch wie gewohnt weiterarbeiten, oder? Warum statt Ordnern Metadaten genutzt werden sollten, erkläre ich in meinem Blog-Beitrag.

Die IT-Welt ist vielfältig und auch SharePoint Online hat viele Anwendungsfälle. In diesem Blog-Beitrag stütze ich mich daher auf eine konkrete Situation, die mir schon häufig begegnet ist: Eine große Anzahl an Dokumenten soll innerhalb einer SharePoint Site verwaltet werden. Ich gehe ferner von einer Nutzung über die SharePoint-Weboberfläche aus, nicht von den Dateienreitern in Microsoft-Teams-Kanälen. Diese sind im Projektkontext zwar praktisch, aber um die geht es im Folgenden ausdrücklich nicht.

Ordner-Wildwuchs als Ausgangslage

Wie sieht eine Ordnerstruktur heutzutage aus? Vermutlich wurde sie bereits vor vielen Jahren angelegt und ist seitdem gewachsen. Jemand war damals so nett und so ambitioniert, die Bedürfnisse seiner täglichen Arbeit durch Ordner und Unterordner abzubilden. Über die Jahre kamen weitere Ordner hinzu. Für Sonderfälle wählte man Sonderlösungen und am Ende entstanden Stilblüten wie „Die Voranzeigen liegen immer im persönlichen Ordner von Herrn Vogel“. Alle neuen Mitarbeitenden mussten das lernen, und als Herr Vogel in Rente ging, blieb sein Ordner erhalten, obwohl persönliche Ordner nach dem Ausscheiden eigentlich gelöscht werden müssten. Eigentlich. Ihr wisst schon … die Voranzeigen. Manch ein besonders vorwitziger Zeitgenosse mag mal erwähnt haben, dass die Ordnerstruktur unlogisch scheint, aber er wurde mit den Worten „Das haben wir schon immer so gemacht“ schnell in die Schranken gewiesen.

Analyse der Nachteile

Was will ich damit sagen? Eine Ordnerstruktur entsteht aus genau einem Blickwinkel heraus. Sie ist entweder logisch für die Buchhaltung (ein Ordner pro Quartal, fein getrennt nach Debitoren und Kreditoren) oder logisch für die Designabteilung (ein Ordner pro Designerin und Designer, fein aufgegliedert nach den gestalteten Werkstücken). Das Personal aus der Buchhaltung fände sich bei den Designerinnen und Designern nicht intuitiv zurecht und die Mitarbeitenden aus dem Designteam verzweifeln an der Buchhaltungslogik. Je nachdem, welcher Abteilung folgend die Ordner angelegt wurden, muss schlimmstenfalls die gesamte Firma dieser Ablagestruktur folgen. Das Ergebnis sind Zeitverlust und Frust für alle, die aus einem anderen Blickwinkel heraus etwas finden möchten. Manche Dokumente verschwinden sogar für immer in den Tiefen der Ordner und niemand findet sie jemals wieder. Das passiert vor allem, wenn ein Dokument aus Versehen im falschen Ordner abgelegt wurde. Außerdem muss ein neues Teammitglied Dinge lernen, die eigentlich sinnlos sind. Ihr wisst schon, die Voranzeigen im Ordner Vogel.

Metadaten und gefilterte Ansichten als Ausweg

Dabei kann ein solches Dilemma mit Hilfe von Metadaten elegant gelöst werden: Einem Dokument kann sowohl gesagt werden, dass es zu den Debitoren sowie ins Jahr 2023 gehört, als auch, dass der Entwurf von Designerin Marie stammt und zur Kategorie Holzstühle gehört. Dazu sind vier Metadatenspalten notwendig. Nach diesen kann dann beliebig gefiltert und sortiert werden, und plötzlich ist es sogar möglich, auf einen Blick alle Glastische von Marie aus dem Jahr 2019 zu sehen. Eine Filterung, die vorher in den Ordnern unmöglich gewesen wäre! Oder man kann nach Dokumenten filtern, die von Marie und Steffen zusammen entwickelt wurden. Die Mehrfachauswahl in einer Spalte macht es möglich. In der oben beschriebenen Ordnerstruktur wäre dieser Fall nicht möglich gewesen, denn dort gab es nur die Ordner „Marie“ und „Steffen“. Die Designabteilung und die Buchhaltung können dank der Metadaten auf dieselben Dokumente zugreifen und dazu ihre bevorzugten Blickwinkel nicht nur mit wenigen Filterungen erreichen, sondern alle Beschäftigten können diese „Lieblingsfilter“ sogar als eigene Ansichten speichern. Dann ist der benötigte Blickwinkel nur zwei Klicks entfernt, egal wie exotisch er für alle anderen Beschäftigten erscheinen mag.

Übrigens können die Ansichten noch mehr: Wenn die Buchhaltung den Namen der Designerin oder des Designers nicht sehen möchte, dann kann diese Metadatenspalte aus der Buchhaltungsansicht ausgeblendet werden. Es sind also keine komplexen Ansichten mit 30 Spalten notwendig, von denen man nur drei benötigt. Ordner hätten uns exakt eine einzige Ansicht geboten. Eine einzige! Und die ist auch nur für die Person komplett logisch, die die Struktur aufgebaut hat. Metadaten hingegen bieten uns eine beinahe unbegrenzte Anzahl von Ansichten für jeden denkbaren Anwendungsfall.

Es gibt noch weitere Vorteile der Metadatennutzung. Ein beliebter „Fehler“, wenn Ordnerstrukturen in SharePoint aufgebaut werden, ist dieser: Dokumente werden in mehrere Ordner kopiert, eben weil man sie an mehreren Stellen finden möchte. Welches Dokument davon ist jetzt das aktuelle? Und wie stellen wir in den Tiefen der Unterordner sicher, dass nicht zwei widersprüchliche Versionen eines einzigen Dokuments vorliegen? Wie entscheide ich, wenn ich nach dem Dokument suche, welches Suchergebnis das Richtige ist? Und welches ich letztendlich bearbeiten muss? Da wäre es doch wunderbar, wenn es jedes Dokument nur ein einziges Mal gäbe!

Nachteile von Ordnern in SharePoint-Bibliotheken

Es gibt auch harte technische Grenzen, die gegen eine ausufernde Ordnerstruktur in SharePoint sprechen. Die Länge der URL ist nämlich begrenzt und in diese Länge gehen alle Ordnernamen und der Dateiname ein. Bei manchen Migrationen hat diese Grenze schon für erhebliches Kopfzerbrechen gesorgt.

Ordner sind – leider – auch wunderbar geeignet, Ansichten zu kreieren, die nicht funktionieren. Wenn man in SharePoint eine Ansicht erstellt, die auf ein bestimmtes Metadatum filtert, und wenn dieses Metadatum nur Dokumenten zugewiesen ist, die sich in Unterordnern befinden, dann bleibt diese Ansicht schlicht leer! Das liegt daran, dass der Ordner auf der höchsten Ebene das Metadatum nicht beinhaltet, sondern nur die Datei. Und die wird auf diesem Wege nicht angezeigt.

Es gibt eine Funktion in SharePoint, in der Ordner zwar vorhanden sein können, in der Ansicht allerdings nicht angezeigt werden. Eine solche „flache“ Ansicht funktioniert erfahrungsgemäß aber nicht mehr bei einer großen Anzahl an Ordnern und Dateien. Also genau dann, wenn man sie besonders dringend bräuchte, liefert die Funktion einen Fehler zurück. Damit gibt es keine zuverlässige Lösung für ordnerlose Ansichten und somit ein weiteres Argument gegen die Benutzung von Ordnern in SharePoint.

Die komplette Ordnerstruktur zu verändern, beispielsweise um eine neue, zweite hierarchische Ebene zu ergänzen, ist in SharePoint genauso viel Arbeit wie in einem Laufwerk. Es würden sich dadurch zudem alle Links zu den Dokumenten verändern. Und schon stecken wir im altbekannten Dilemma der gewachsenen Ordnerstruktur, die sich niemand mehr anzufassen traut. Ein neues Metadatum einzuführen hingegen bedeutet nur eine zusätzliche Spalte anzulegen – geht also schnell und hat keinerlei Nachteile für Links.

Keine Angst vor Metadaten

Manchmal scheuen Benutzerinnen und Benutzer zunächst davor zurück, Metadaten zu verwenden. Sie sagen, das könnten sie nicht. Dabei nutzen wir alle ständig Metadatenfilter, und das sogar ganz intuitiv. Zwei Beispiele: Wenn unsere Designerin Marie online einen Trekkingrucksack kaufen möchte, dann filtert sie beispielsweise „Rucksäcke“, „Fassungsvermögen 20–40 Liter“, „mit Hüftgurt“. Und auch unser Buchhalter Edgar – übrigens kurz vor der Rente und nach eigener Aussage nicht der Schnellste am PC – filtert im selben Onlineshop mühelos, dass er längenverstellbare Wanderstöcke haben möchte, und zwar aus Aluminium oder Carbon, und dass er maximal 80 Euro ausgeben möchte. Marie und Edgar benutzen dazu die Filter, die der Shop dank Metadaten anbietet. Den Einwand „Mit Metadaten kann ich nicht umgehen“ können wir also leicht entkräften, egal wie IT-affin unsere Zielgruppe sein mag.

Ich will nicht behaupten, dass es keine Umstellung sei, von Ordnern auf Metadaten umzusteigen. Es erfordert eine Gewöhnungszeit bei den Anwenderinnen und Anwendern. Denn statt erst alle Ordner durchzuklicken und dann die Datei abzulegen, funktioniert es jetzt andersherum: Die Datei wird hochgeladen und danach mit den Metadaten versehen. Je schneller sich die User auf den neuen Weg einzulassen trauen, desto schneller ist er gegangen. Und gerade bei der initialen Einrichtung der notwendigen Bibliotheken und Metadaten gibt es manche Hilfe aus der Trickkiste der Automatisierung. Damit können zügig alle notwendigen Metadaten gesetzt werden, sodass die Anwenderinnen und Anwender so schnell wie möglich alle Vorzüge erleben können. Zurück zum Laufwerk wollte bisher übrigens niemand mehr!

Fazit

Metadaten sind Ordnern um Längen überlegen und definitiv der Weg in die Zukunft. Falls eine Migration unter Zeitdruck geschieht, kann es im ersten Moment sinnvoll sein, alle Dateien und Ordner zu belassen, wie sie sind. Allerdings empfehle ich euch dringend, nicht dort stehen zu bleiben, sondern nach und nach Abschied von den Ordnern zu nehmen.

Bild Nina Gerke

Autorin Nina Gerke

Nina Gerke arbeitet seit Jahren mit ihren Kunden an deren Managementsystemen in SharePoint Online. Dabei hat sie das Thema Dokumentenmanagement oft begleitet, und zwar sowohl bei Neueinführungen als auch bei Migrationsprojekten mit mehr als einer halben Million Dokumenten. Daher sind ihr die Wünsche der User, die Herausforderungen, aber auch die möglichen Stolperfallen gut bekannt.

Kategorie:

Methodik

Schlagwörter:

SharePoint

Datenmanagement

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