Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Spätestens seit der Pandemie wissen wir, dass das Arbeitsmodell mit festen Arbeitszeiten und physischer Präsenz nicht die einzige Option der Zusammenarbeit ist. Auch in der Finanzwelt haben wir beobachtet, dass mit mobilen Arbeitsmodellen, flexiblen Arbeitszeiten und digitalen Alternativen durchaus Stabilität und Produktivität möglich sind. Was sich aus der Not ergeben hat, wird sich in Zukunft immer stärker als Standard etablieren. Dabei wird sich das Phänomen nicht nur auf das „Arbeiten im Homeoffice“ beschränken. Vielmehr werden wir uns die Fragen stellen müssen, wie wir neue Möglichkeiten der hybriden Zusammenarbeit entwickeln, agile Prozesse und Arbeitsschritte sicherstellen und die Produktivität, Kreativität und Kollaboration in der neuen Arbeitswelt fördern können. Der sinnvolle Einsatz von Technologie wird dabei eine treibende Kraft sein.

Das Buzzword in diesem Kontext heißt New Work. Dies umfasst strukturelle, kulturelle, organisatorische und methodische Dimensionen und Fähigkeiten einer Organisation und erfordert die ganzheitliche Symbiose dieser Bereiche. Was sich konkret hinter dem Begriff New Work verbirgt, wie es Banken tangiert und wie erlebbare Anwendungsfälle im Banking aussehen können, möchte ich in diesem Blog-Beitrag näher vorstellen.

New Work – das Buzzword

Der Begriff der „neuen Arbeitswelt“ wird oftmals im selben Atemzug mit der Digitalisierung genannt und suggeriert irrtümlicherweise lediglich die Ablösung von analogen Arbeitsprozessen durch digitale Alternativen. Dabei ist das Phänomen vielschichtiger und hat die Kraft, eine Evolution in der Geschichte unserer modernen Arbeitswelt einzuleiten. Denn New Work ist ein Megatrend, der langfristige strukturelle Veränderungen auslösen und Einzug in alle Organisationformen finden wird. Doch was genau impliziert dieser Begriff?

New Work ist ein Begriff, der erstmals in den 1980ern mit dem zunehmenden Trend der Automatisierung in den USA ins Leben gerufen wurde. Der Urvater, der den Begriff wesentlich geprägt hat, ist Frithjof Bergmann. Der amerikanische Sozialphilosoph beschreibt mit New Work einen Wandel in der Arbeitswelt, der im Wesentlichen die kapitalistischen Arbeitsmodelle in Frage stellt, indem er die Arbeit nicht mehr als Mittel zum Zweck deklariert, sondern den Menschen und seine Bedürfnisse in das Zentrum rückt. Somit dient Arbeit oder Leistungserstellung nicht mehr der reinen Existenzsicherung, sondern stiftet in allererster Hinsicht Sinn. Der Begriff beschränkt sich nicht nur auf ein neues Arbeitsmodell, sondern dient als Grundlage für die zukunftsfähige Gestaltung der Arbeitswelt, die durch Agilität, Holokratie und die digitale Transformation ausgestaltet wird. New Work impliziert somit einen Wertewandel in der Arbeitswelt und erfordert ein grundlegendes Umdenken der Arbeits- und Führungskultur. Gleichzeitig setzt es die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur voraus, um Agilität, digitale Transformation, Leistungsanspruch und Sinnhaftigkeit in Einklang zu bringen. Klingt philosophisch, ist es auch!

Der digitale Wandel als Treiber – New Work im Banking

Die Fähigkeit, mit Agilität und Flexibilität sich an strukturelle Veränderungen oder abrupte, unvorhersehbare Ereignisse anzupassen, stellt für Organisationen einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Diese Eigenschaften erhöhen den Handlungsspielraum und schaffen Selbstwirksamkeit in kritischen Phasen. Sie helfen aber auch Innovationen voranzutreiben und neue Chancen für die Gestaltung der Wertschöpfung und Leistungserstellung zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für die Finanzbranche, die seit einigen Jahren eine strukturelle Metamorphose erlebt. Ob Zinstief, zunehmende Digitalisierung, Regulatorik oder neuer Wettbewerb durch technologieaffine Anbieter – die Herausforderungen sind vielfältig und haben oft gravierende Einflüsse auf die Arbeitswelt und die Leistungserstellung der Banken.

Das gilt insbesondere für die Gestaltung des Bankarbeitsplatzes: Die Koordinierung und Bearbeitung jedes einzelnen Arbeitsprozesses sowie die Sicherstellung der reibungslosen Abwicklung hängen stark von den vorhandenen Mitarbeiterkapazitäten, der Nutzung von Standards, effizienten Prozessen und modernen IT-Systemen ab. Komplexe Arbeitsprozesse, System- und Medienbrüche sowie fehlende Transparenz stellen dabei erhebliche Hürden dar. Mehrfacheingaben in der Datenerfassung und keine durchgehend konsequente Datennutzung erzeugen zudem unnötig höheren Arbeitsaufwand. Manuelle papierhafte Prozessbearbeitung und fehlende Systeme, beispielsweise für die Geschäftsanbahnung – vor allem im Kreditgeschäft –, senken die Effizienz. Veraltete Technologien, unflexible Kernbanksysteme und langwierige Arbeitsprozesse erschweren den notwendigen Modernisierungsprozess und verursachen hohe Kosten- und Ressourcenaufwände, die zu Effizienzverlusten führen. Gleichzeitig haben die vorgenannten Hürden Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit, da hohe manuelle und arbeitsintensive Bearbeitungsprozesse zu Lasten des Mitarbeitenden und seiner Produktivität gehen.

Die Gestaltung des Bankarbeitsplatzes spielt eine wichtige Schlüsselrolle, um New Work im Banking erlebbar zu machen und die sinnvolle Kombination von Kompetenz, Verfügbarkeit, Flexibilität und Effizienz sicherzustellen. Das hat auch Folgen für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Bankwertschöpfung, die nicht nur die Prozesse und Abläufe optimiert, sondern Mitarbeitererlebnisse schafft, Produktivität, Leistungserstellung und Benutzererlebnisse in Einklang bringt und explizite Lösungen für folgende Herausforderungen bietet:

Operationale Exzellenz – reibungslose, schnelle und sichere Abwicklung von Arbeitsprozessen in der Interaktion und Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Kundinnen oder Kunden.

Schaffung einer stabilen Infrastruktur für New Work – Mitarbeitende müssen jederzeit und gegebenenfalls ortsunabhängig Zugriff auf ihren Bankarbeitsplatz und somit auf Systeme, Anwendungen und Dienste haben, um die optimale Kundenbetreuung und Bankwertschöpfung sicherzustellen.

Employee Experience – Schaffung neuer Arbeitsplatzkonzepte und digitaler Infrastrukturen als Grundlage für Mitarbeitererlebnisse, die Produktivität, Prozesseffizienz und User Experience miteinander vereinbaren.

Vermeidung von Systembrüchen und Datensilos – die nahtlose Integration einzelner Systeme muss die Funktionsfähigkeit sowie die Effizienz der Arbeitsabläufe sicherstellen (inklusive Datenverfügbarkeit und -qualität). Hohe Anwendungsfreundlichkeit sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für Mitarbeitende ist unabdingbar.

Selbstwirksamkeit bei exogenen Schocks und hoher Volatilität – mit agilen Prozessen, flexiblen Arbeitsplätzen und einer stabilen IT-Infrastruktur müssen Banken Handlungsräume für eine schnelle Anpassung und Umsetzung schaffen. Transparenz, Stabilität der IT-Systeme und Reaktionsfähigkeit auf wechselnde Umfeldfaktoren (unter anderem Wettbewerb, Regulatorik oder Zins) haben hohe Priorität.

Digitale Arbeitsplätze und Employee Experience im Banking

Die Rolle der Bankmitarbeitenden und ihr Beitrag zum Erfolg des Finanzinstituts sind immanent. Das zeigen auch Studien, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen engagierten Mitarbeitenden und einem hohen Maß an Kundenzufriedenheit, Produktivität und damit unternehmerischem Erfolg wie Umsatz und Rentabilität nachweisen (Studie von Gartner 2019). Die Fähigkeit, mit neuen Arbeitsmodellen, digitalen Infrastrukturen und benutzerfreundlichen Systemen die Leistungserstellung der Mitarbeitenden zu unterstützen, sind kritische Hygienefaktoren für den unternehmerischen Erfolg und den Übergang in die neue Ära des New Work. Dabei können durch das Anbieten digitaler Arbeitsplätze nicht nur Arbeitsprozesse optimiert, sondern auch Mitarbeitererlebnisse geschaffen werden. So können beispielsweise Bankprozesse vollständig digital unter Einbindung aller relevanten Beteiligten (Kundin/Kunde, Mitarbeitende, Markt, Marktfolge etc.) abgebildet werden. Im Zielbild unterstützen digitale Arbeitsplätze als zentralorchestrierende Drehscheibe sämtliche Akteurinnen und Akteure und sorgen für eine reibungslose, digitale, fallabschließende Abwicklung der Arbeitsprozesse. Durch Abbildung einer zentralen Oberfläche erlaubt der digitale Arbeitsplatz Informationen aus unterschiedlichen Datenquellen auf eine grafische Oberfläche zu transformieren. Damit können Dokumente, Berechtigungen, Workflowprozesse, laufende Angebote oder interne Prozesse zentralisiert auf einer Oberfläche abgerufen werden, ohne dass es zu Medienbrüchen kommt.

Mit neuen Technologien und digitalen Arbeitsplätzen können Banken die Dynamik der Anpassung in der digitalen Welt des Bankings erfolgreich mitgestalten und zentrale Herausforderungen in der zeitgemäßen Gestaltung des Arbeitsplatzes meistern, die zu folgenden Vorteilen führen:

  • Zukunftsfähige Gestaltung des Bankarbeitsplatzes
  • Employee Experience und Mitarbeiterbindung
  • Aufbau einer Infrastruktur für New Work
  • Moderne, integrierte und ganzheitliche Prozessdigitalisierung
  • Höhere Zufriedenheit bei Kundinnen und Kunden sowie bei Mitarbeitenden durch effiziente (IT-)Systemunterstützung
  • Verbesserung der Prozessqualität durch Vermeidung von Systembrüchen (digitaler Arbeitsplatz = eine Sicht / „one view“)
  • Wartbarkeit und Erweiterbarkeit auch im Hinblick auf Digitalisierungsvorhaben – Time to Market und die Möglichkeit einer schrittweisen Ablösung (gegebenenfalls Vermeidung) von Altsystemen
  • Senkung von Kosten (hinsichtlich Prozessen, Mitarbeitenden und Systemkosten)

Beispiele für Anwendungsfälle im Banking

Mit digitalen Arbeitsplätzen ist die gesamte Prozesskette vom Markt über die Marktfolge und das Risiko bis zum Kunden-Service-Center abbildbar. Exemplarische Beispiele hierfür sind:

  • Kreditbearbeitungs- und Kreditvergabeprozesse (inklusive Entscheidungen und Dokumentation)
  • Workflow- und Dokumentenmanagement (inklusive Postkorb und Aufgabenverteilung)
  • Konto- und Depoteröffnungen
  • Digitale Vertragsabschlüsse
  • Produktmanagement

Fazit

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Das gilt auch für Banken. Die zukunftsfähige Gestaltung des Bankarbeitsplatzes schafft positive Serviceerlebnisse für Kundinnen und Kunden und erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit und -produktivität auf Basis optimierter Betriebsabläufe, Prozesse und Systeme. Eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie im Banking wird in Zukunft auch die Bereitstellung einer technologischen Infrastruktur für neue Formen der Zusammenarbeit nötig machen. New Work wird künftig das New Normal sein und erfordert ein Handeln.

Bild Nehir Safak-Turhan

Autorin Nehir Safak-Turhan

Nehir ist Senior Business Developer für die Line of Business Banking bei adesso und Volkswirtin aus Leidenschaft. Das Erkennen von bankwirtschaftlichen und branchenspezifischen Zusammenhängen und die Transformation dieser Informationen in Intelligenz ist ihr täglich Brot. Gemäß dem Sesamstraße-Prinzip „Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt bleibt dumm“ hat sie in ihrer über zwanzigjährigen Banking- und IT-Laufbahn nie aufgehört Fragen zu stellen, auf die sie stets Antworten sucht.

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