10. Juni 2020 von Michael Bünnemeyer
Offene Kundendaten in der Versicherungsbranche erhöhen die Autarkie des Kunden
Nach anfänglichem Zögern investierten die Versicherer in den letzten Jahren massiv in die Erneuerung ihrer Systemwelten und in die Automatisierung ihrer Prozesse. Während in der Vergangenheit nach entsprechenden Großinvestitionen ein Stück weit Ruhe bei den Versicherern eingekehrt war, kündigen sich schon in der aktuellen Investitionsphase nächste Entwicklungsstufen an. Die Versicherer stehen laufend vor der Herausforderung, bei der digitalen Evolution mitzuhalten.
Die Hoheit über die eigenen Kundendaten gewinnen
Die spartenspezifische Trennung von Bestandssystemen, die Dokumentation von Kunden-Hobbys in autonomen Maklerverwaltungsprogrammen, diverse Kommunikationskanäle im Dreieck zwischen Versicherer, Vermittler und Endkunde - dies alles führt zu einer Flut an Informationen, die nicht ausreichend zusammengeführt werden. Die Versicherer haben das erkannt und die Vertriebsarchitektur steht auf dem Prüfstand.
Um die Koordination von Kundenanfragen, zuständigen Vermittlern und den unterschiedlichen Abteilungen im eigenen Haus in den Griff zu bekommen, ist die Einführung einer CRM-Lösung eine nachhaltige Option. Diese bietet die Chance, über die verschiedenen Kommunikationskanäle Kundendaten aufzunehmen und internen und externen Einheiten (auf Basis von Rechten und Rollen) zur Verfügung zu stellen. Dass es sich hier um Großprojekte handelt, liegt auf der Hand. Vor allem wenn berücksichtigt wird, dass diverse Schnittstellen zu bestehenden datenkritischen Systemen und Services geschaffen werden müssen. Zum einen, um die Daten zu erhalten - zum anderen, um die vorhandenen Daten nutzen zu können – beispielsweise für eine Kampagne.
Was im ersten Augenblick nach sinnvollen Maßnahmen klingt, um den Kunden beziehungsweise seine Daten in den Griff zu kriegen und wirtschaftlich attraktiver zu gestalten, ist auf den zweiten Blick auch eine Notwendigkeit, um sich den Anforderungen des Kunden in Zukunft stellen zu können.
Vorteil für den Kunden
Mit der gesetzlich garantierten Öffnung von Bankdaten über die Payment Services Directive 2 (PSD2), ist bereits die nächste Entwicklungsstufe gestartet. Kunden sind - spätestens, wenn sie ihr Bankkonto online verwalten - schon mit der nun regelmäßigen (Re-)Legitimierung des Zugangs nach 90 Tagen konfrontiert worden. 90 Tage am Stück können Kunden als Privatpersonen nun auch andere Unternehmen (zum Beispiel Versicherern) einen Zugriff auf ihre Bankdaten ermöglichen. Das Potenzial ist enorm - nicht nur, dass bestehende Versicherungsverträge ermittelt werden können. Es bietet zugleich den Boden für die Bereitstellung passender und alternativer Produkte oder für die Aufstockung des Versicherungsschutzes, um das Versicherungspaket abzurunden. Das Kundenverhalten, die Zuverlässigkeit sowie das Risikobewusstsein von Kunden wird sichtbar(er).
Exkurs PSD 2
Die PSD2 ist eine EU-Richtlinie zur Regulierung von Zahlungsdiensten und Zahlungsdienstleistern, deren Ziele es sind,
- die Sicherheit im Zahlungsverkehr zu erhöhen,
- den Verbraucherschutz zu stärken,
- Innovationen zu fördern und
- den Wettbewerb im Markt zu steigern.
Sie beinhaltet unter anderem:
Die Erhöhung der Sicherheit
- Zwei-Faktor-Authentifizierung aus drei verschiedenen Bereichen
- Wissen (Username + Passwort)
- Besitz (z.B. Smartphone)
- Inhärenz (z.B. Fingerabdruck)
Die Stärkung des Verbraucherschutzes
- Keine Extragebühren für die Bezahlungsart – zum Beispiel bei Kreditkartenzahlungen
Die Förderung von Innovationen
- Agile Banking-Plattformen fördern durch die Öffnung der Kontoschnittstellen neue Geschäftsmodelle – zum Beispiel sprachgesteuertes Banking über Alexa
Die Steigerung des Wettbewerbs
- Durch den neu geschaffenen Rechtsrahmen greifen Drittanbieter offiziell auf Kontenschnittstellen zu und drängen dadurch verstärkt auf den Markt
Wer jetzt die großen Vorteile für Versicherer oder Vermittler sieht, vergisst an dieser Stelle den Endkunden. Dadurch, dass dieser beispielsweise den Zugang zu seinen Bankkonten gesteuert freigibt, hat er die Möglichkeit, eine laufende Kontrolle seiner Versicherungen zu garantieren. Wo der Kunde vorher mühsam seinen Fremdvertrag in ein Kundenportal hochladen beziehungsweise Daten eintragen musste, wird ihm dies nun per Datenfreigabe abgenommen. Im besten Fall spart er Geld.
PSD2 erhöht die Interaktionsmöglichkeit zwischen Versicherer/ Vermittler und Endkunde. Durch die Bereitstellung von Applikationen wie Wallets oder Haushaltsbüchern durch die Versicherer oder (große) Vermittler, besteht die Chance den Endkunden besser zu verstehen und passgenau zu unterstützen.
Eine gesetzlich geregelte, datenschutzkonforme Freigabe von Datenschnittstellen macht Sinn, wenn der Kunde am Ende die Hoheit über seine Daten behält. Letztendlich hat er auch das Recht, seine Daten freibestimmt weiterzugeben.
Digitaler Datendruck
Alle Daten? Auch Versicherungsdaten? Was heute schon durch das Maklermandat oder die generelle Auskunftspflicht per Brief und Fax unterstützt wird, wird mittelfristig auch durch Standardschnittstellen digital unterstützt werden müssen. Für andere Versicherer, für Fintechs, für Banken, für Behörden etc. Die Transparenz steigt.
Die Welt dreht sich weiter, aber vermehrt um den Kunden, der selbstbestimmter mit seinen Daten umgehen kann und mit Blick auf die Generation Y auch umgehen wird.
Ihr möchtet mehr darüber erfahren, mit welchen Themen wir noch im Versicherungsbereich unterwegs sind, dann werft einen Blick auf unsere Website.