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Im aktuellen Hype um generative KI (GenAI) spalten sich die Meinungen in zwei Lager: Befürwortende und skeptische Personen. In den kritischen und komplexen Prozessen der Versicherungswirtschaft birgt diese Polarisierung erhebliche Risiken. Während die Befürworter dazu neigen, die Technologie unkontrolliert und blind einzusetzen, was zu Sicherheitsrisiken und Fehlanwendungen führen kann, neigen die Skeptiker dazu, Innovationen zu blockieren und damit potenzielle Wettbewerbsvorteile zu untergraben.

Dieser Blog-Beitrag bietet einen kurzen Exkurs darüber, wie GenAI Innovationen im Versicherungsbereich vorantreiben kann und warum ein effektives Change Management für beide oben genannte Gruppen wichtig ist.

GenAI als Chance für Versicherungen

Der Einsatz von GenAI kann in der Versicherungsbranche zu enormen Effizienzsteigerungen führen, insbesondere in Bereichen wie Schadenregulierung und Risikoprüfung. Die Implementierung dieser Technologie erfordert eine sorgfältige Change-Management-Strategie, die sowohl Struktur schafft als auch das Bewusstsein erhöht und Ängste abbaut. Dies ist unerlässlich, um sowohl eine unkontrollierte Nutzung durch die Befürworterinnen und Befürworter als auch eine Innovationsblockade durch die Skeptikerinnen und Skeptiker zu vermeiden.

Traditionelle Prozesse als Fundament oder Hindernis?

Die Versicherungsbranche steht an einem Wendepunkt: Der Einsatz von Lösungen auf Basis von KI (Künstlicher Intelligenz) hat das Potenzial, die Branche zu revolutionieren. Traditionelle Prozesse dienen als Grundlage, müssen aber für die innovativen Anwendungen der generativen KI angepasst werden. Diese Anpassungen können signifikante Effizienzsteigerungen ermöglichen, bringen aber auch Veränderungen für die Mitarbeitenden mit sich, die ein gezieltes Change Management erfordern. Die erfolgreiche Implementierung von KI erfordert nicht nur technologische Expertise, sondern auch eine umfassende Veränderungsbereitschaft auf allen Ebenen der Organisation.

Veraltete Prozesse hemmen nicht nur Innovationen, sondern sind oft auch die Ursache für komplexe regulatorische Anforderungen, Silodenken und Abteilungsbarrieren sowie eine risikoaverse Unternehmenskultur. KI-Technologien schaffen ein hybrides Modell, das Effizienz und Kundenzufriedenheit steigert, indem traditionelle Prozesse mit KI-Technologien angereichert werden. Beispielsweise könnte eine generative KI durch die Analyse persönlicher Daten und Risikoprofile automatisch personalisierte Versicherungspolicen erstellen und so den Abschluss von Policen beschleunigen und personalisierte Kundenerfahrungen schaffen.

Der Einsatz von KI stellt für Mitarbeitende eine große Veränderung dar

Die Integration von KI stellt für die Mitarbeitenden eine bedeutende Veränderung dar. Professionelles Change Management ist entscheidend, um das Denken zu verändern und die Organisation in das Zeitalter der KI zu führen. Durch gezieltes Change Management durchlaufen die Mitarbeitenden die notwendigen Phasen von anfänglicher Angst über Akzeptanz, Willensbildung, Kompetenzaufbau bis hin zur Freude an der Mensch-Maschine-Interaktion.

Gezielte Change-Management-Maßnahmen anhand der fünf Phasen einer Veränderung (ADKAR)


ADKAR-Modell von Prosci

  • A – Awareness/Bewusstsein: Bevor wir KI im Arbeitsalltag einsetzen, müssen wir allen Mitarbeitenden erklären, wie, wann, für wen und warum sich etwas ändert. Eine starke Vision (getragen von der Unternehmensleitung) und Kommunikationspläne sind hier entscheidend. Führungskräfte spielen als Multiplikatoren eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung der Botschaften, da sie den Mitarbeitenden nahe stehen. Es ist ratsam, ein spezielles Gremium zu schaffen, z. B. ein KI-Komitee, das verschiedene Interessengruppen vertritt. Insbesondere beim KI-Anwendungsfall "automatisierte" Schadenbearbeitung, bei dem viele Prüfschritte von Mitarbeitenden auf KI übertragen werden, ist eine intensive Kommunikation durch das Management erforderlich. Hier kann betont werden, dass KI ein zukünftiger Partner ist, der die Arbeitsprozesse effizienter gestaltet und die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherung steigert.
  • D – Desire/Wunsch: Aus Sicht des Change Managements ist es wichtig, Ängste und Bedenken der Mitarbeitenden wahrzunehmen und zu betonen, dass KI unterstützt und nicht ersetzt. Der konkrete Mehrwert von KI und die Leistungssteigerung auf betrieblicher und individueller Ebene sollten gezielt skizziert werden. KI beschleunigt einfache Standardfälle, schafft mehr Zeit für komplexe Fälle und verbessert die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden. Dies erhöht die Ergebnisqualität und macht die Arbeitsinhalte interessanter. Eine klare Kommunikation ethischer Regulierungen, die KI Grenzen setzen und Arbeitnehmer:innen schützen, schafft Vertrauen und Sicherheit. Unternehmen sollten neben Führungskräften auch "Change Agents" etablieren, die Aufklärungsarbeit leisten und als Sprachrohr für Bedenken, Ideen und Feedback dienen.
  • K – Knowledge/Wissen: Im Dialog und in speziellen Workshop-Formaten sollte vermittelt werden, wie sich Verantwortlichkeiten und Prozesse durch den Einsatz von KI konkret verändern und wie die Arbeitsteilung zwischen Mensch und KI aussieht. Eine klare Transparenz über Zuständigkeiten und Ansprechpartner ist dabei entscheidend. Gemeinsame Vereinbarungen mit Mitarbeitenden und Führungskräften können die Akzeptanz fördern. Change Management hilft, die eigene Rolle zu verstehen und notwendige Kompetenzen zu erkennen. Wissens-Impulsreihen zum Thema "KI im Branchenkontext" halten die Mitarbeitenden auf dem Laufenden. Mit der Einführung der KI-Lösung zur automatisierten Schadenbearbeitung ändern sich Arbeitsprozesse und Zuständigkeiten. Transparenz über die Funktionsweise der KI-Lösung stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden in den neuen "KI-Kollegen".
  • A – Fähigkeit: Durch praxisnahe Schulungen können die Mitarbeitenden an die veränderten Arbeitsabläufe und die Integration mit KI herangeführt werden. Die Einbindung in Testphasen und der geschützte Trainingsraum ermöglichen erste Erfahrungen. Fallstudien und Übungen demonstrieren die Zuverlässigkeit von KI. Das richtige Verständnis und der Einsatz von generativer KI sind entscheidend. Der Übergang zu komplexen Testfällen erhöht die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Neben KI-Trainings können KI-basierte Wissenssysteme zu Tarifen oder Compliance-Richtlinien Wissenslücken schließen.
  • R – Reinforcement/Verankerung: Wir empfehlen, von Anfang an ein Pilotprojekt zu starten, die Erkenntnisse in Lessons Learned umzuwandeln und zu skalieren. Regelmäßige Feedbackschleifen und Rückkopplungen mit den Mitarbeitenden decken Informationslücken auf und optimieren den Einsatz von KI. Das neue Mindset und die Integration von KI sind keine Selbstläufer. Um die Motivation zu stärken, ist es sinnvoll, kleine Aufmerksamkeiten zu zeigen, Dankbarkeit und Wertschätzung auszudrücken, Erfolge zu feiern und Rollen zu etablieren. Mit der Einführung der KI-Lösung zur automatisierten Schadenbearbeitung können Process-Mining-Lösungen helfen, die Prozessoptimierung sichtbar zu machen. Die Anzahl der bearbeiteten Schadensfälle und die Qualität der Entscheidungen steigen durch KI signifikant.

Change Management als kritischer Erfolgsfaktor für KI

Die Zukunft der Versicherungsbranche hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich an technologische Innovationen anzupassen und diese effektiv zu nutzen. Traditionelle Prozesse bilden ein solides Fundament, können jedoch Innovationen behindern. Die Integration von KI-Lösungen bietet die Chance, die Branche neu zu definieren und gleichzeitig bewährte Expertise zu erhalten. Durch gezieltes Change Management kann eine Brücke zwischen etablierten Prozessen und den Potenzialen von KI geschlagen werden.

Die Akzeptanz und der erfolgreiche Einsatz von KI erfordern jedoch einen umfassenden Wandel der Unternehmenskultur und die gezielte Begleitung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch alle Phasen des Wandels.

Nur mit einem ganzheitlichen und proaktiven Ansatz kann die Versicherungsbranche die Chancen der technologischen Revolution nutzen und erfolgreich in die Zukunft führen.

Bild Nicole Zieger

Autor Nicole Zieger

Nicole Zieger ist Change Managerin bei adesso im Bereich Retail und hat einen wirtschaftspsychologischen Hintergrund. Ihr Fokus liegt auf menschenzentrierter Kommunikation und der Rolle von Führungskräften in Transformationsprozessen. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit neuen Führungsansätzen in Zeiten von New Work.

Bild Jonas Abel

Autor Jonas Abel

Jonas Abel ist bei adesso als Senior Consultant in der Line of Business “Data & Analytics” tätig. Er unterstützt Kunden bei der Konzeption, Einführung und Operationalisierung der Themen Data Governance & Management, Data Mesh sowie Data Strategy, um deren Datenreifegrad zu erhöhen.

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