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Was nachhaltiges Heizen mit Digitalen Assistenten und einer Anwendungsarchitektur zu tun hat

Bei diesen winterlichen Temperaturen und den stetig steigenden Energie- und Wartungskosten wird uns klar, dass unsere alte Ölheizung nur noch diesen Winter in Betrieb sein soll. Für nächstes Jahr brauchen wir definitiv eine neue, moderne Heizungsanlage.

Nach einer kurzen Recherche stellen wir fest, dass es viele Alternativen, Optionen und eine große Auswahl an Produkten gibt. Wie wollen wir die passende Lösung für unsere Bedürfnisse finden? Wir wünschen uns eine gute Fachberatung und ein Komplettangebot für ein innovatives Heizungssystem - inklusive Installation, Inbetriebnahme und sonstiger Dienstleistungen. Wir möchten die relevanten Technologien und Auswahlkriterien verstehen und bewerten und schließlich eine gute Entscheidung treffen.

Anforderungsermittlung

Wie dieses Alltagsbeispiel zeigt, ist der erste Schritt die strukturierte Anforderungsermittlung. Bereits in dieser frühen Phase könnte uns ein digitaler Assistent sehr gut unterstützen. Je gründlicher wir die Rahmenbedingungen festlegen und unsere Ziele und Anforderungen definieren, umso präziser kann ein Konfigurationssystem für uns die beste Lösung finden.

Die Rahmenbedingungen für die neue Heizung:

  • zwei Erwachsene, ein Kleinkind und ein Baby
  • 4-Zimmer Wohnung mit ca. 95 qm
  • älteres Wohnhaus in Freiburg
  • aktuelle Heizung: Erdöl
  • aktuelles Warmwasser: Elektro
  • Energiebedarf für Strom und Warmwasser: ca. 4.000 kWh im Jahr

Und unsere individuellen Ziele und Anforderungen:

  • Zukünftig hätten wir gerne eine möglichst nachhaltige und innovative Heizmöglichkeit.
  • Freiburg ist der sonnenreichste Ort Deutschlands. Aus diesem Grund denken wir schon länger über eine Solaranlage nach.
  • Rund-um-die-Uhr-Kundenservice und Kundendienst in der Nähe wären super.
  • Wir möchten an die jährliche Wartung der neuen Heizungsanlage erinnert werden, sodass wir es auf keinen Fall wieder vergessen.
  • Die monatliche Belastung sollte so minimal wie möglich sein.

Nach der strukturierten Anforderungsermittlung machen wir uns nun gezielt auf die Suche nach geeigneten Lösungen. Wir nutzen eine Suchmaschine und besuchen verschiedene Hersteller Webseiten, Online-Kataloge und Bewertungsportale. Wir finden die interessante Themenseite „Öko Energie & Wärme“ mit wichtigen Informationen.

Hier entdecken wir den innovativen Digitalen Assistenten: „Deine Wünsche – Dein Berater – Deine Lösung!“ Wir spezifizieren unsere Anforderungen, lassen uns Lösungsalternativen vorschlagen und entscheiden uns dann für den Hersteller und die Produktbaureihe. Auf dieser Basis konfigurieren wir unsere individuelle Heizungsanlage inklusive Zusatzleistungen, wählen Handwerksbetriebe in unserer Nähe und lassen uns Komplettangebote erstellen.

Digitale Assistenten

Diese typische Customer Journey – Guided Selling für komplexe und variantenreiche Produkte und Systeme – ist in der nachfolgenden Abbildung Schritt für Schritt dargestellt. Nachdem der Kunde seine Anforderungen spezifiziert hat, bekommt er geeignete Vorschläge und wählt einen Lösungsvorschlag aus. Dies kann ein vordefinierter Produktstandard sein oder auch der Einstiegspunkt für die nachfolgende Produktkonfiguration.

Dieser Ablauf ist für variantenreiche und konfigurierbare Produkte gleichermaßen geeignet wie für maßgeschneiderte Systeme und komplex strukturierte Komplettlösungen, wie zum Beispiel unsere individuelle Heizungsanlage. Alle wichtigen Komponenten der Heizungsanlage werden im Systemkontext ausgewählt und konfiguriert, um ein optimiertes und voll funktionsfähiges Gesamtsystem zusammenzustellen. Anschließend können notwendige und optionale Leistungsangebote ergänzt werden.

Ein Standard-Webshop und ein einfacher Produktkonfigurator sind nicht hinreichend, um anspruchsvolle Kunden zur Kaufentscheidung für eine komplexe und hochwertige Komplettlösung zu motivieren. Kunden wollen auch in der digitalen Welt Schritt für Schritt durch den gesamten Einkaufsprozess geführt werden, als würden sie durch einen Fachberater unterstützt: Information und Beratung, Anforderungsspezifikation, Auswahl und Konfiguration, Anfrage, Angebot und Bestellung, Nachverfolgung und Service.

Ein Digitaler Assistent und ein Lösungskonfigurator können uns die optimale Lösungsvariante und die passenden Zusatzleistungen und Optionen anbieten, wie in unserem Beispiel Installation und Wartung, Ersatzteile und Recycling. Bei Bedarf wollen wir die dazu passenden Finanzierungs-, Zielspar- und Ökostrom-Verträge auch gleich abschließen.

Dies kann nur gelingen, wenn bereits in der Anforderungsermittlung und auch in allen nachgelagerten Schritten gründlich und gewissenhaft auf einer einheitlichen Datenbasis gearbeitet wird. Ein gut integriertes Konfigurationssystem muss über alle Geschäftsprozesse hinweg funktionieren: Anfrage, Bestellung, Produktion, Lieferung, Installation und Service.

Es ist einleuchtend: Ein wirklich smartes Konfigurationssystem ist die notwendige technische Grundlage für die komplexe Konfiguration variantenreicher Produkte, Systeme und Lösungen und ermöglicht somit eine konsistente positive Kundenerfahrung.

Variantenkonfiguration – Top-down oder Bottom-up

Am Beispiel unserer Heizungsanlage ist gut zu sehen: Variantenkonfiguration gibt es in verschiedenen Komplexitätsgraden: Produkte, Systeme, Lösungen. Auch bei der Modellierung von Baukastensystemen und der Implementierung von Konfigurationssystemen können wir verschiedene Methoden nutzen: Die Modularisierungstechniken Top-down oder Bottom-up.

Die einfachere Top-down-Methode eignet sich sehr gut für Serienprodukte. Zunächst wird ein Basisprodukt modelliert und mittels Alternativen und Optionen zum Maximalprodukt erweitert. Dieses 120%-Modell enthält ein Regelwerk zur Beschreibung der zulässigen Varianz. In seiner vollen Ausprägung wird das Maximalprodukt wohl niemals gebaut werden, jedoch enthält es alle vorgedachten Varianten und beschreibt exakt den Lösungsraum.

Betrachten wir beispielhaft die Konfiguration eines Markenfahrrads im Online-Handel aus dem letzten Artikel. Die Konfiguration startet mit der Auswahl eines passenden und gültigen Basisprodukts. Dann werden zulässige Alternativen und Optionen angeboten. Wir können dann entscheiden, welche Komponenten und Ausprägungen unser Fahrrad haben soll und welche nicht. Durch das Setzen von Werten, Auswählen von Alternativen und Ein-/Ausschalten von Optionen wird die gewünschte Variante abgeleitet.

Mit zunehmender Varianz wird die Pflege eines Maximalmodells immer aufwändiger und möglicherweise unwirtschaftlich. Daher wird empfohlen, bei zunehmender Komplexität die wesentlich leistungsfähigere Bottom-up-Methode einzusetzen. Diese anspruchsvollere Konfigurationstechnik eignet sich sehr gut für komplexe Produkt- und Systemkonfiguration und ist eine notwendige Grundlage für die nachfolgende Digitalisierung und Automatisierung der flexiblen Fertigung bis hin zu Losgröße 1.

Die Modellierung beginnt mit der Definition eines Baukastensystems und der Entwicklung aller benötigten Teile, Komponenten und Module. Die Baukastenobjekte werden in Familien zusammengefasst und klassifiziert. Für die zielgerichtete Objektfindung ist es sinnvoll, einen Sachgruppenbaum und ein Merkmalleistensystem aufzusetzen und die technischen Daten und Eigenschaften der Objekte zu dokumentieren. Das Regelwerk beschreibt die zulässige Kombinatorik der Objekte zu Produkten und Systemen.

Ein großer Vorteil der Bottom-up-Methode ist die mögliche Abdeckung eines unbegrenzten Lösungsraums. Im Gegensatz zu einem Maximalmodell mit monolithischem Regelwerk ist es einfacher, einen modularen Baukasten, Standard- und Konfigurations-Objekte zu entwickeln und zu pflegen. Allerdings ist die Modellierung eines feingranularen Regelwerks für die mehrstufige Konfiguration und Komposition einer Systemlösung anspruchsvoller. Die Vorteile beider Modularisierungstechniken können jedoch auch sehr gut zusammenwirken.

System- und Lösungskonfiguration

Der anfangs beschriebene Gesamtprozess – Anforderungsermittlung, Systemkonfiguration, Zusatzleistungen – kann am besten durch die geschickte Kombination der Top-down- und Bottom-up-Methode umgesetzt werden. Als Ausgangspunkt dienen Baureihen konfigurierbarer Serienprodukte, Teilekataloge und mögliche Serviceoptionen. Der Prozess startet mit der Anforderungsermittlung und Systemauslegung. An dieser Stelle ist es sinnvoll, technische Auslegungs- und Berechnungsprogramme nahtlos zu integrieren.

Für die Konfiguration unserer neuen Heizungsanlage bedeutet dies, dass wir die einzelnen Komponenten flexibel zusammenstellen und im Detail konfigurieren können. Mit unseren Zielen und Anforderungen starten wir die Systemkonfiguration und technische Auslegung. Nach Auswahl und (Top-down-) Konfiguration der Geräte, Module und Optionen erfolgt die (Bottom-up-) Zusammenstellung unserer individuellen Gesamtlösung. Das Regelwerk stellt sicher, dass alles korrekt zusammenpasst und das System optimal funktioniert.

Maßgeschneiderte Produkte und Systeme erfordern individualisierte Services. Auf Basis des konfigurierten Systems können wir nun exakt passende Serviceleistungen konfigurieren. In der globalen und digitalen Einkaufswelt sind zahllose Produktvarianten verfügbar. Preise sind für Kunden absolut transparent. Finale Kaufentscheidungen werden immer stärker durch gekoppelte Dienstleistungen beeinflusst. Daher muss Variantenkonfiguration nicht allein auf Produkte beschränkt sein, sondern soll Services selbstverständlich einschließen.

Anfrage und Bestellung

Mit dem Digitalen Assistenten und dem Lösungskonfigurator haben wir verschiedene Heizungsanlagen mit entsprechenden Service- und Zusatzleistungen konfiguriert und angefragt. Uns liegen nun die Angebote vor. Alle Lösungen passen perfekt zu unseren Anforderungen. Wir wägen Kosten und Nutzen ab und entscheiden uns schließlich für eine hocheffiziente Gasbrennwertheizung mit integrierter Solaranlage und Photovoltaik. Dazu wählen wir das Rundum-sorglos-Paket „Service all-inclusive“ im Jahresabo. Ein regionaler Heizungsbaubetrieb bekommt den Auftrag, und der nächste Winter kann kommen.

Architektur eines Variantenkonfigurators

Unser praktisches Beispiel hat die verschiedenen Komplexitätsgrade der Produkt-, System- und Lösungskonfiguration deutlich aufgezeigt. Die durchgängige Variantenkonfiguration – über mehrere Geschäftsprozesse hinweg – ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabenstellung. Eine erfolgreiche Implementierung setzt eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit und die Wahl der richtigen Methoden und Softwarekomponenten voraus.

Die Anwendungsarchitektur muss eine flexible Systemintegration mit vielen anderen relevanten Unternehmenssoftware-, Engineering- und Produktions-Systemen ermöglichen. Die wesentlichen Funktionsbereiche eines typischen Varianten-Konfigurationssystems sind Modellierung, Konfiguration und Automatisierung.

Wir haben gelernt, dass Variantenkonfiguration viel mehr kann, als nur einfache Produktkonfiguration. Systemkonfiguration erweitert den Lösungsraum und ist die Basis für größere Leistungspakete. Wir verkaufen unseren Kunden leistungsfähige Komplettsysteme. Lösungskonfiguration ist die Königsklasse. Wir erweitern unser Portfolio um maßgeschneiderte Service- und Zusatzleistungen. Wir schärfen unsere Alleinstellungsmerkmale und verkaufen unseren Kunden attraktive „Rundum-sorglos“ Gesamtlösungen.

Wie geht es weiter …

In unserem nächsten Blog-Beitrag möchten wir detaillierter auf die Anwendungsarchitektur eines Variantenkonfigurationssystems eingehen, innovative Modellierungsmethoden vorstellen und die erheblichen Ratio-Potenziale einer teil- oder vollautomatisierten Angebotserstellung und Auftragsabwicklung aufzeigen. Bei weiterem Interesse freuen wir uns über eine direkte Kontaktaufnahme.

Bild Andreas Liesche

Autor Andreas Liesche

Andreas Liesche ist Competence Center Leiter im Bereich Manufacturing Industry bei adesso. Andreas verfügt über jahrelange Erfahrung in der Softwareentwicklung und Systemintegration im Maschinen- und Anlagenbau. Zu seinen Fachkompetenzen zählen vor allem das Variantenmanagement und die Produkt-, System- und Lösungskonfiguration. E-Mail: Andreas.Liesche@adesso.de

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