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Kommentar: ChatGPT ersetzt bis Mitte Februar 854 Arbeitsplätze in der Milchwirtschaft – über Sinn und Unsinn von Prognosen (Autor: Volker Gruhn*)

Analysten, Institute, Hersteller und IT-Dienstleister überschlagen sich im Moment mit Prognosen über die Auswirkungen von generativer Künstlicher Intelligenz wie ChatGPT. Es vergeht kein Tag, ohne dass Schlagzeilen dazu durch die Medien geistern. Mal geht es um den Wandel einzelner Berufsbilder und Branchen, mal um tiefgreifende Veränderungen der gesamten Wirtschaft. Was dabei gerne vergessen wird: Dieser Blick in die Zukunft eignet sich wenig oder gar nicht als konkrete Handlungsempfehlung für Unternehmen.

Meine Überschrift ist übrigens frei erfunden.

Dass Prognosen die Zukunft nicht immer treffsicher vorhersagen, wird deutlich beim Blick auf das Thema „Mobile Business“. Wer hat Anfang 2007, unmittelbar nach der Präsentation des ersten iPhones, den rasanten Siegeszug von Smartphones und Apps richtig vorhergesagt? Wer hat das Milliardenpotenzial dieses Bereichs prognostiziert? Wer hat damals das Duopol von Apple und Google erwartet? Auch jetzt stehen wir wieder am Anfang einer Entwicklung, deren Ausmaße wir nur erahnen können. Wir wissen weder, was die einzelnen KI-Anwendungen letztlich leisten können, noch wo ihre Grenzen liegen. Wir können auch nicht abschätzen, welche Implikationen sie auf die Gesellschaft haben.

Derzeit gleicht das Feld der generativen KI eher einer groben Skizze als einer detaillierten Landkarte: Anwendungen kommen und gehen in einem atemberaubenden Tempo. Die Revolution von heute kann der Standard von morgen sein – oder eine schnell vergessene Fehlentwicklung. Das heißt nicht, dass Unternehmen das Thema einfach zur Seite schieben können bis der Markt gefestigt ist. So eine Haltung gefährdet die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Vielmehr müssen die Verantwortlichen ihre Organisation mit ruhiger Hand fit für eine ungewisse Zukunft machen. Sie dürfen also nicht auf ein Szenario oder eine Lösung setzen, sondern müssen eine Kultur der Neugier und des Lernens schaffen. Offenheit, Experimentierfreude und Risikobereitschaft gehören zu jedem KI-Projekt. Ansonsten verpassen Unternehmen die Gelegenheit, die Chancen und Risiken der Technologie wirklich zu verstehen und sie sinnvoll zu nutzen.

Damit fundierte Entscheidungen auf der Basis eigener Erfahrungen möglich sind, müssen Mitarbeitende weitergebildet, neue Talente rekrutiert und so Know-how-Lücken geschlossen werden. Das mag weniger spektakulär sein als die großen Visionen der Analysten. Aber es ist aus meiner Sicht der einzige Weg, um in einer Welt bestehen zu können, in der generative KI so alltäglich sein wird wie heute E-Mails oder Apps.

Oder anders formuliert: Anstatt nach jeder Marktstudie neue Initiativen auszurufen, sollten Unternehmen lieber mehr Projekte umsetzen.


*Volker Gruhn ist Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender der adesso SE

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