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Die Geschichte der Softwareentwicklung ist geprägt von Umbrüchen, die das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine immer wieder neu definiert haben. Jede dieser Etappen hat nicht nur die Technik selbst, sondern auch unsere Art, mit ihr umzugehen, sie zu gestalten und in den Alltag zu integrieren, geprägt. Betrachtet man die Entwicklung rückblickend, so lässt sich eine Linie erkennen: von „Desktop first” hin zu „Mobile first” und möglicherweise zu einem Zeitalter, in dem intelligente Agenten im Mittelpunkt stehen.

In den 1980er- bis in die 2000er Jahre dominierte die Desktop-Ära. Anwendungen waren eng mit bestimmten Betriebssystemen verknüpft. Wer etwa mit Word oder Photoshop arbeitete, bewegte sich in einem klar definierten Kosmos voller Menüs, Symbolleisten und Dialogfenster. Im Jahr 2006 kam dann das erste iPhone auf den Markt und sollte alles verändern. Seit den 2010er Jahren hat sich daher die Devise „Mobile first” in den Köpfen und Designs durchgesetzt. Inzwischen haben sich auch traditionelle Desktop-Anwendungen wie Word oder Photoshop mobil durchgesetzt.

Doch welche Folgen hat diese Entwicklung? Was bedeutet es für die Art und Weise, wie wir Software entwerfen, wenn nicht mehr Klicks und Eingabemasken, sondern dialogische Interaktionen und proaktive Agenten das Geschehen bestimmen? Werden Designerinnen, Designer sowie Entwicklerinnen und Entwickler in Zukunft nicht mehr für eine humanoide Anwenderschaft, sondern für eine neue Form der Kollaboration zwischen Mensch und Maschine gestalten?

Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung. Sie zeigen, dass wir am Beginn einer vielleicht noch größeren Wende stehen als beim Übergang von Desktop zu Mobile.

Das Zeitalter der KI-Agenten – Technologische Grundlagen und Status quo

Künstliche Intelligenz ist in der Softwarewelt keineswegs ein neues Phänomen. Bereits vor Jahrzehnten gab es Programme, die als „intelligent“ bezeichnet wurden. Vergleicht man diesen Status quo mit vorherigen Paradigmen, so lässt sich eine gewisse Kontinuität erkennen. Doch dieser Übergang ist noch nicht abgeschlossen. Viele Agenten sind in ihrer Autonomie beschränkt und benötigen menschliche Aufsicht. Doch die Geschwindigkeit der Entwicklung ist hoch und vieles deutet darauf hin, dass Agenten in Zukunft nicht mehr nur Zusatzfunktionen sein werden, sondern die tragenden Säulen ganzer Anwendungen. Damit rückt die Frage nach ihrem Einfluss auf Entwicklung, UX und UI noch stärker in den Vordergrund.

Der Einfluss auf die Softwareentwicklung

Die Einführung von KI-Agenten verändert die Softwareentwicklung so grundlegend wie zuletzt durch die Verbreitung des Internets. Während der Mobile-First-Ansatz vor allem das Design von Oberflächen revolutionierte, zwingt der KI-Agenten-First-Ansatz dazu, die gesamte Architektur, die Prozesse und auch die Rollen im Entwicklungsteam neu zu denken.

Man kann es auch so formulieren: In der Welt von AI-Agent-First entwickeln wir nicht mehr nur Software, sondern gestalten Partner. Diese Partner müssen wir befähigen, gleichzeitig aber auch in Schach halten. Sie sollen unterstützen, aber nicht entmündigen. Sie sollen effizient sein, ohne unkontrollierbar zu werden. Genau in dieser Balance liegt die eigentliche Kunst der zukünftigen Softwareentwicklung.


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Auswirkungen auf UX

Kaum ein Bereich wird durch den Wandel hin zu KI-Agenten so stark beeinflusst wie die User Experience. Während frühere Paradigmen vor allem die Bedienung von Software durch Menschen beleuchteten, geht es heute zunehmend um die Zusammenarbeit mit einem Agenten.

Die User Experience verschiebt sich somit von der Optimierung von Klickpfaden hin zur Gestaltung von Partnerschaften. In dieser neuen Welt müssen Agenten empathisch wirken, ohne menschlich zu sein, und selbstbewusst handeln, ohne entmündigend zu erscheinen. Die Herausforderung für das Design besteht darin, diese Gratwanderung so zu gestalten, dass Menschen das Gefühl haben, unterstützt zu werden, ohne dass ihnen Entscheidungen aus der Hand genommen werden.

Auswirkungen auf UI

Bei der visuellen Gestaltung von Software war das User Interface stets das Schaufenster, durch das Nutzer:innen in die Welt der Anwendungen blickten. Ohne Buttons, Menüs und Symbole wäre die Verbreitung von Computern kaum möglich gewesen. Doch mit dem Aufstieg von KI-Agenten steht dieses Schaufenster vor einer tiefgreifenden Transformation.

Damit wird klar: Das User Interface verschwindet nicht, sondern transformiert sich. Es verliert seine Rolle als Hauptbedienfläche, gewinnt aber an Bedeutung als Transparenz- und Vertrauensoberfläche. Gerade weil Agenten vieles unsichtbar erledigen, benötigen wir sichtbare Elemente, über die wir die Kontrolle behalten können. In einer Welt, die sich immer stärker auf unsichtbare Prozesse verlässt, wird genau dieses sichtbare Interface zum entscheidenden Faktor für Akzeptanz.

Mobile-First versus AI-Agent-First – Ein Paradigmenwechsel

Über viele Jahre hinweg galt der Leitsatz „Mobile First” als unumstößlich in der Softwareentwicklung. Wer eine Anwendung entwickelte, dachte zuerst an das Smartphone. Man darf diesen Umbruch getrost als Paradigmenwechsel bezeichnen. So war der Schritt von betriebssystemabhängigen Anwendungen ins Web oder vom Web hin zu Mobile Apps keine einfache Anpassung, sondern eine völlige Neubewertung.

Jetzt wird auch der Sprung von Mobile-First zu AI-Agent-First eine neue Epoche einleiten. Unternehmen, die sich früh darauf einstellen, werden nicht nur bessere Produkte entwickeln, sondern auch eine Sprache finden, die der neuen Realität entspricht. Unternehmen, die allein am alten Denken festhalten, riskieren, in einer Welt der Agenten unsichtbar zu werden.

Zukünftige Szenarien – Von hybriden Modellen bis hin zu vollständig autonomen Systemen

Betrachtet man die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, zeigt sich ein wiederkehrendes Muster: Neue Paradigmen verdrängen die alten nicht sofort, sondern überlagern sie zunächst und existieren eine Zeit lang nebeneinander. Dieser Wandel sollte nicht als Revolution begriffen werden, die alles von heute auf morgen umwirft, sondern als Evolution, die schichtweise verläuft. Doch er ist unumkehrbar.

Sobald Agenten erst einmal etabliert sind und ihre Nützlichkeit unter Beweis gestellt haben, wird es keinen Weg zurück geben. Genau deshalb ist es entscheidend, schon jetzt über die Gestaltung dieser Zukunft nachzudenken – und das nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch aus ethischer, gesellschaftlicher und politischer Perspektive. Denn die Frage ist nicht, ob AI-Agent-First kommt, sondern in welcher Form wir es erleben werden.

Risiken und Herausforderungen

So überzeugend die Vision von „AI-Agent-First” auch klingen mag, sie ist nicht frei von Schattenseiten. Jede technologische Zäsur hat in der Vergangenheit nicht nur Fortschritt, sondern auch neue Gefahren mit sich gebracht.

All diese Aspekte machen deutlich, dass die Risiken kein Randthema sind, das man irgendwann nebenbei adressieren kann. Sie sind der Prüfstein für die Akzeptanz und den langfristigen Erfolg von AI-Agent-First. Wenn wir diese Herausforderungen nicht ernst nehmen, droht die Technologie zu scheitern – nicht, weil sie technisch nicht funktioniert, sondern weil sie gesellschaftlich abgelehnt wird.

Umgekehrt liegt genau darin die Chance: Wer Transparenz schafft, Sicherheit garantiert, Bias reduziert und den Datenschutz ernst nimmt, kann das Vertrauen aufbauen, das notwendig ist, damit Agenten ein selbstverständlicher Teil unseres Alltags werden.

Fazit

Die Geschichte der Softwareentwicklung war stets auch eine Geschichte von Paradigmenwechseln. Jede technologische Epoche brachte ihre eigenen Prinzipien hervor: Die Desktop-Ära machte Computer zu Alltagswerkzeugen, das Web öffnete uns den Zugang zu globalen Informationen und Märkten und Mobile-First brachte Software in unsere Hosentaschen. Doch AI-Agent-First ist mehr als ein neues Paradigma der Softwareentwicklung. Es ist ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess darüber, wie wir mit intelligenten Systemen leben wollen. Genau das macht diese Epoche so spannend: Sie zwingt uns, unsere Technik, unser Verhältnis zur Technologie und letztlich uns selbst neu zu denken und zu gestalten.


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Bild Manfred Specht

Autor Manfred Specht

Manfred Specht ist Senior Software Engineer bei adesso.