25. Oktober 2018 von Uwe M. Schirmer
Warum FinTechs so erfolgreich sind und am Ende doch verschwinden
Zunächst möchte ich euch den Begriff „FinTech“ näher erklären. Der Finletter liefert hierzu eine recht passende Definition:
Der Begriff FinTech setzt sich aus den Anfangssilben von Finanzdienstleistungen und Technologie zusammen. Mit FinTech wird die Branche bezeichnet, in der Finanzdienstleistungen mit Technologie verändert werden. FinTechs sind die Unternehmen, die das tun. FinTechs sind häufig Startups, aber nicht immer.
Disruption als Erfolgsfaktor
Startups und auch FinTechs sind dann besonders erfolgreich, wenn sie disruptiv sind. Disruption ist der Vorgang, bei dem ein bestehendes Geschäftsmodell oder ein bestehender Markt durch eine schnell wachsende Innovation abgelöst oder überflüssig wird. In diesem Zusammenhang vertritt der Harvard-Professor Clayton M. Christensen in seinem Buch „The Innovators Dilemma“ die als empirisch gesicherte Theorie, nach der sich etablierte Firmen nicht dagegen wehren können, sondern Opfer einer solchen Disruption werden – selbst wenn sie versuchen, sich dagegen zu wehren.
Ihr fragt euch, warum das so ist? Das Ganze hat einen einfachen Grund: Für den dauerhaften Erfolg einer Bank oder auch eines jeden anderen Unternehmens ist ein Management entscheidend, das logische, vorausschauende und auf Erfahrung beruhende Entscheidungen trifft und dabei langfristige Strategien verfolgt. Genau diese Stärken des Managements führen aber zum Untergang eurer Bank, wenn sie das Ziel einer Disruption wird. Euch bleiben dann eigentlich nur noch zwei Optionen:
- Getreu dem Motto „business as usual“ führt ihr eure Geschäfte einfach fort, bis das angreifende Startup oder FinTech immer mehr Kunden für sich gewinnt und euch so die Substanz für das weitere Überleben entzieht.
- Ihr setzt euch über die Wünsche und Interessen eurer bestehenden Kunden hinweg, um euch auf den potenziellen neuen Markt oder das neue Geschäftsmodell auszurichten. Dabei zerstört ihr jedoch euren bestehenden Markt und vergrault eure Kunden. Der neue Markt ist aber zunächst noch sehr klein. Um eurer Überleben zu sichern, muss euer neues Geschäftsmodell daher erst noch bekannter werden und sich bewähren.
Interessant ist, dass es kaum möglich zu sein scheint, beide Optionen erfolgreich parallel zu verfolgen.
Wie ihr euch vorstellen könnt, ist das für FinTechs oder Startups natürlich eine gute Nachricht, denn ein etabliertes Produkt mit großem Kundenstamm schützt auch große Banken und andere Unternehmen nicht vor deutlich kleineren Konkurrenten. Ein Angriff lohnt sich also auch dann, wenn man als David gegen Goliath antritt.
FinTechs und Banken
Welchen Vorteil hat ein Fintech aber gegenüber einer am Markt etablierten Bank? Der wesentliche Trumpf besteht darin, dass sich ein FinTech wegen seiner geringen Stärke auf bestimmte Finanzdienstleistungen oder Produkte konzentrieren und sich so stärker fokussieren kann. Dabei betrachtet ein FinTech natürlich nur Bereiche, die es für lukrativ und zukunftsfähig hält und lässt alles andere außen vor. Etablierte Banken stecken viel Energie in Bereiche oder Angebote, die früher einmal lukrativ waren, es jetzt aber vielleicht nicht mehr sind. Beispielsweise wird eine Bank alte Angebote und die damit verbundenen Verträge nicht so einfach wieder los. Häufig muss zwischen den beiden Optionen gewählt werden, ob eine Dienstleistung aufgegeben wird, was dem Ruf schadet und Kunden vergrault oder ob es weniger Schaden verursacht, die Dienstleistung weiterzuführen, auch wenn dabei Verluste in Kauf genommen werden müssen.
Ein FinTech hat diese Probleme nicht. Es kann Dienstleistungen vom Kunden aus denken, ohne den Ballast bestehender Angebote, Systeme oder Prozesse mit sich zu schleifen. Daher erscheinen FinTechs oft in ihrer Domäne innovativer, moderner und kundenfreundlicher als die etablierten Banken. So bietet die Direktbank N26 beispielsweise ein Konto an, das sich auf dem Smartphone beantragen und verwalten lässt. Selbst die Identifikation des Nutzers erfolgt rein digital. creditshelf hingegen betreibt eine Online-Plattform, auf der es Darlehen an mittelständische Unternehmen vermittelt. Der gesamte Finanzierungsprozess erfolgt dabei rein digital. figo wiederum bietet eine Schnittstelle für Softwareentwickler, die die Anbindung zu den Rechenzentren nahezu aller deutschen Kreditinstitute, Kreditkartenanbieter und PayPal bietet. figo wird übrigens von vielen FinTechs verwendent. So erhalten sie Zugriff auf Funktionen aus dem Onlinebanking und können diese in eigene Anwendungen und Apps einbinden.
Alle genannten Produkte und Dienstleistungen könnt ihr natürlich auch als etablierte Bank anbieten. Dafür müsst ihr aber den direkten Kundenkontakt – wie es bei N26 der Fall ist – aufgeben. Verliert ihr aber den direkten Kontakt zum Kunden, gebt ihr auch die Möglichkeit auf, euren Kunden weitere Produkte anzubieten. Wenn ihr euren Business-Kunden – wie etwa creditshelf – Kredite auf Basis von Regeln und automatischen Prüfungen anbietet, verliert ihr ebenfalls den direkten Kontakt und macht euch auch leichter ersetzbar. Schließlich zählen bei einer Online-Plattform einzig Reichweite sowie Leistung und ein Kunde verlässt euch schnell wieder, wenn ein anderer Anbieter attraktivere Konditionen bietet. Dass eine Bank ihre Schnittstellen, so wie figo, für einen Konkurrenten öffnet, ist eher unwahrscheinlich. Hier hat ein unabhängiger Anbieter tatsächlich einen besseren Ausgangspunkt für Verhandlungen. Was aber passiert, wenn figo von einer Bank aufgekauft wird und der Zugriff auf Schnittstellen plötzlich durch die Konkurrenz angeboten wird, wird sich zeigen.
Mit den Wölfen zu heulen ist auch keine Lösung
Wie ihr gesehen habt, können FinTechs eine Gefahr für die Geschäftsfelder von etablierten Banken darstellen und das haben die meisten Finanzhäuser auch inzwischen erkannt. Als Reaktion haben sich im Bankenwesen verschiedene Strategien entwickelt: Banken investieren in ihre „Gegner“, kaufen sie auf oder verteidigen sich, indem sie selbst disruptiv werden. Wieso das aber nicht so einfach ist, erkläre ich euch.
Dass etablierte Banken disruptiv werden, also eine Art „Disruption von innen“ betreiben, funktioniert nicht so einfach. Schließlich möchte niemand das Geschäft, das er aufgebaut hat, angreifen und zerstören. Disruption wird also zu einem Versuch, bestehende Produkte und Prozesse zu optimieren oder umzugestalten. Das ist aber keine Disruption im eigentlichen Sinne und niemand kann so gegen ein FinTech-Unternehmen bestehen, dem bestehende Geschäftsfelder und Kunden völlig egal sind.
Es bleibt also noch die Investition in oder der Aufkauf von FinTechs. Das funktioniert jedoch auch nicht, weil ein FinTech dann nicht mehr seine Stärken ausspielen kann und seine Innovationskraft verliert. Wieso das so ist, erkläre ich euch. Nehmen wir an, ihr als etablierte Bank kauft ein FinTech auf. Euer Ziel besteht dann mit Sicherheit darin, es zu integrieren. Integriert ihr das FinTech allerdings in eure bestehende Bankenstruktur, wird es lediglich zu einem Teil eures Produktportfolios. Zudem werden die Prozesse eures FinTechs nun schwerfälliger, denn seine Strategien, Produkte und sein Vorgehen müssen in einem größeren Kontext berichtet und abgestimmt werden. Das hat dann auch Auswirkungen auf die mitübernommenen Mitarbeiter: Wer es gewohnt ist, in einem dynamischen und ungeregelten FinTech-Umfeld zu arbeiten, wird dann schnell das Weite suchen. Mit anderen Worten: Das FinTech blutet aus, wird zahm und außer der Idee bleibt nichts mehr übrig.
Nur wenn es ungestört und ohne Einschränkungen oder fremde Steuerung agiert, kann ein FinTech seine Kraft entfalten. Ihr müsstet das FinTech also ungestört weiter machen lassen wie bisher. Dann stellt sich allerdings die Frage, warum ihr es überhaupt aufgekauft habt.
Das größte Problem, das FinTechs im Kampf „David gegen Goliath“ haben, besteht darin, dass sie oft über Infrastrukturen und Software verfügen, die mit denen etablierter Banken in Bezug auf Qualität, Stabilität und Wartbarkeit nicht mithalten können. Zudem fehlt es ihnen an Wachstums- und Skalierungsstrategien. Am Ende bleibt dann nur die Erinnerung an eine Marke mit rasantem Wachstum, die ebenso schnell wieder im Nirwana verschwunden ist, wie sie einst am Markt erschienen ist – und zwar nachdem sie von einer Bank aufgekauft wurde.
Fazit
Wie ihr gesehen habt, mag ein FinTech eine noch so große Gefahr für eine etablierte Bank darstellen, jedoch werden sie früher oder später einfach aufgekauft und damit vom Markt verschwinden. Kaum ein FinTech kann sich auf Dauer dagegen wehren, denn es braucht Kapital, um seine Geschäfte aufrecht zu erhalten und um sich auszuweiten. Durch diese zwei Ansprüche besiegelt das FinTech am Ende seinen eigenen Untergang und macht Platz für die nächste FinTech- Generation.
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