Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Kundenzentrierung

Die Zauberformel für den Unternehmenserfolg heißt 2020 Kundenzentrierung und Firmen stellen Kunden in den Fokus ihrer Prozesse und Betriebsorganisationen. Die Gründe hierfür liegen im härteren Wettbewerb, an einem steigenden Regulierungsdruck infolge der globalen Finanz- und Schuldenkrisen und nicht zuletzt im hohen Informiertheitsgrad des Kunden selbst. Diese Rahmenbedingungen erfordern eine Herangehensweise, die darauf ausgerichtet ist, Kunden über eine Vielzahl direkter und indirekter Kommunikationskanäle eng an Unternehmen zu binden. Ein solcher Paradigmenwechsel hat tiefgreifende Auswirkungen auf das unternehmerische Mindset: Sämtliche Geschäftsprozesse und die Betriebsorganisationen werden auf Kunden ausgerichtet oder überspitzt gesagt: Der Kunde existiert nicht länger um der Prozesse willen, die Prozesse und die Betriebsorganisation stehen vielmehr im Dienst des Kunden. Er ist das Maß aller Dinge.


Kundenzentrierung im Unternehmen

Chatbots - Kundenbindung und Einsparpotential

Nach Einschätzung des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens Grand View Research wird das Marktvolumen für Chatbots im Jahr 2025 mehr 1,2 Milliarden US-Dollar betragen und die jährliche Wachstumsrate wird bei 24 % liegen. Der Großteil entfällt demzufolge auf den Handelsbereich, Banken und Versicherungen. Denn diese Branchen profitieren in besonderem Maße vom direkten Kundenkontakt. Zugleich versprechen sich die CTO‘s reduzierte Betriebskosten im Kundenbetrieb und größere Kundenzufriedenheit.

Chatbots vereinen Künstliche Intelligenz (KI) und herkömmliche Geschäftsprozesse unter einem Dach. Aus Managementsicht bieten sie folgende Vorteile:

  • Einsparungen bei Personalkosten, zum Beispiel in Callcentern
  • Vereinfachung der Kundenprozesse allgemein
  • Informationsaustausch zwischen Kunde und Unternehmen in Echtzeit
  • Verfügbarkeit rund um die Uhr

Chatbot-Architektur

Im Hinblick auf die gewünschte Kundenzentrierung müssen sich Chat-Bot-Anwendungen nahtlos in die Servicelandschaft eines Unternehmens einfügen. Idealerweise vergisst der Kunde im Verlauf der Chatkonversation, dass er mit einem intelligenten Softwaresystem und nicht mit einer natürlichen Person kommuniziert. Zudem wird eine hundertprozentige Genauigkeit bei der Identifizierung des Kundenanliegens angestrebt. Ein Schlüssel zur Erreichung dieser Entwicklungsziele ist der Einsatz moderner KI-Verfahren.

Werfen wir hierzu einen Blick auf das Innenleben einer Chatbot-Anwendung. Das folgende Schaubild zeigt die Funktionsweise und das Zusammenspiel der Building Blocks einer generischen Chatbot-Architektur:


Generische Chatbot-Architektur

Eingangskanäle

Der User beginnt die Chatkonversation über einen Eingangskanal seiner Wahl. Dies kann eine Facebook Messenger App, eine Sprachanwendung wie Alexa, eine Desktopanwendung oder etwas anderes sein. Im Rahmen einer Flugbuchung könnte die Chatnachricht zu Beginn der Konversation etwa so lauten: „Buche am kommenden Montag einen Flug für 2 Personen von Frankfurt nach London“. Diese initiale Nachricht wird vom Eingangskanal an ein Nachrichtenbackend gesendet.

Integrationsschicht

Die Integrationsschicht ist als Verbindungsglied zwischen Eingangskanälen und Chatbot-Kern für die Durchleitung der Chatnachricht zuständig. Sie reduziert die Komplexität des Kerns, der kein Wissen bezüglich der Channels benötigt. Ein frei verfügbares und verbreitetes Framework ist Botkit (https://botkit.ai/).

Chatbot-Kern

Security Gateway - Im Chatbot-Kern findet zunächst eine Authentisierungs- und Autorisierungsprüfung statt („Ist Chat-Teilnehmender X bereits bekannt und wenn ja, ist sie oder er autorisiert, auf geschützte Informationen wie Konto- oder Firmendaten zuzugreifen?“). Bei erfolgreicher Sicherheitsprüfung wird die Chatnachricht an die Chatbot-Logik weitergeleitet.

Chatbot-Logik - Die in natürlicher Sprache verfasste Chat-Nachricht wird nun unter Einsatz von Methoden und Komponenten des Natural Language Processing (NLP) syntaktisch analysiert und zur weiteren Verarbeitung in ein maschinenlesbares Format gebracht.

Absichtsklassifizierung (Intent Classification) - Als nächstes geht es darum, die Chat-Nachricht thematisch einer Kategorie beziehungsweise Fachdomäne zuzuordnen. Geht es um eine Flugbuchung, möchte der Teilnehmende eines Chats Kontoinformationen abrufen oder soll zum Beispiel eine Übersicht zum Versichertenstatus abgerufen werden? Für diese Aufgabe gibt es heute eine Vielzahl von AI-Komponenten mit vorgefertigten Trainingsmodellen, die in die Chatbot-Entwicklung integriert werden können. Microsoft bietet beispielsweise die cloudbasierte API Language Understanding Intelligence Service (LUIS) an, die eine Vielzahl vordefinierter Domänenmodelle zur Intenterkennung und weitere Funktionen enthält.

Das untenstehende Beispiel zeigt exemplarisch die Verwendung des in Python realisierten, quelloffenen AI-Frameworks Deeppavlov, das sowohl im Standalone-Betrieb als auch als REST API verwendet werden kann. Das Trainingsmodell IntentSnips, eine Deepavlov-Erweiterung, erkennt anhand einer beliebigen sprachlichen Äußerung (utterance im Chatbot-Jargon) standardmäßig sieben Intents - darunter die Domäne „Wetter“. Der Satz ‚Regnet es in Dortmund ?‘ wird hier dem GetWheather-Intent zugeordnet:

Ablaufsteuerung (Dialog Flow) - Nach der Intent-Erkennung hat der Chatbot-Kern Wissen darüber, in welcher Fachdomäne sich der Gesprächspartner bewegt (zum Beispiel Aktienkurse, Börsenticker, Schadensmeldung, Sendungsverfolgung oder Wettervorhersage). Er kann nun daran gehen, per Dialogsteuerung die Belange des Teilnehmenden per Frage und Antwort einzukreisen. Der Dialog Flow ist zu Ende, wenn der Chat-Teilnehmende entweder eine hinreichend qualifizierte Antwort erhalten hat (die Bewertung, ob eine Antwort hinreichend qualifiziert ist, obliegt gleichermaßen dem Chatsystem) oder ob ein Fachberatender für die Problemlösung benötigt wird. In letzterem Fall ermittelt der Chatbot-Kern den zuständigen Fachberatenden und steuert den Fall an sie oder ihn aus. Die Umsetzung der Ablaufsteuerung kann entweder per Eigenentwicklung oder unter Verwendung von 3rd Party Tools, wie zum Beispiel Google Dialogflow, erfolgen.


Fragenbaum des Prozesses „Sendungsverfolgung“

Automatisches Question Answering (QnA, NLU) - Für das Verständnis (NLU, Natural Language Understanding) und die automatisierte Beantwortung von Fragen, die in natürlicher Sprache (QnA) aus einer dedizierten Fachdomäne innerhalb eines Dialogschrittes erfolgen, stehen kommerzielle oder quelloffene Frage- und Antwortsysteme zur Verfügung. Diese kommen mit vorgefertigten Trainingsmodellen daher und können bei Bedarf mit selbstentwickelten Lernmodellen erweitert werden. Hier denke ich an Microsoft QnA Maker, Microsoft LUIS oder die quelloffenen AI Frameworks RASA und Deeppavlov SQuAD.

Untenstehend ist ein Beispiel mit Deeppavlov SQuAD für ein Frage-Antwort-Szenario aus der Fachdomäne „Wetter“ abgebildet. Wir füttern das Modell zunächst mit unstrukturierten Textbausteinen aus dem Bereich der Meteorologie. Darin wird die Entstehung mehrerer Formen von Niederschlägen erklärt. Stellt man dem so trainierten Modell die Frage „An welcher Stelle kollidieren Wassertropfen mit Eiskristallen und bilden Niederschläge“, so erhalten wir die meteorologisch korrekte Antwort. Wir erhalten ebenfalls die richtige Antwort, wenn wir den Fragetext modifizieren oder in anderen Sprachen formulieren.


QnA mit Deepavlov SQuAD

Fazit

Marktforschungsunternehmen und Manager sind sich darin einig, dass Chatbots auf mittlerer Sicht zu den Wachstumstreibern gehören und das Potential haben, die Spielregeln ganzer Branchen nachhaltig zu verändern. Historisch gesehen steckt die Entwicklung jedoch noch in den Kinderschuhen. Folgende Herausforderungen gilt es zu bewältigen:

Entwickelnde von Chatbots müssen zum einen die Bestimmungen der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einhalten. Dazu gehören das Recht auf Vergessenwerden, das Recht auf Löschung, der Vertrag zur Auftragsverarbeitung und viele weitere Regularien. Bei Nichtbeachtung drohen empfindliche Strafen. Zudem ist immer wieder mit Gesetzesnovellen aufgrund aktueller Vorkommnisse zu rechnen, die jedoch nicht immer zur ersatzlosen Abschaffung bestehender Gesetze führen.

Darüber hinaus bestehen bei der Chat-Bot-Entwicklung enorme technische Hürden: Im Hinblick auf eine größtmögliche Quote bei der Identifizierung der Kundenanliegen ist eine Treffgenauigkeit von annähernd 100 Prozent wünschenswert. Dies erfordert ein intensives Training beziehungsweise Customizing der AI-Engines, deren Wartung und Verbesserung jedoch äußerst komplex ist. Dieses Ziel kann allein durch das enge Zusammenwirken von Fachleuten, Kundenservice, Data Scientists, Architects und Developern auf iterativem Wege erreicht werden. Das Thema bleibt also spannend …

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Bild Stephan Pohl

Autor Dr. Stephan Pohl

Dr. Stephan Pohl ist seit mehreren Jahren für adesso als Architekt und Entwickler im Banken- und Versicherungsumfeld tätig. Einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt bildet hierbei die Integration verteilter Systeme unter Verwendung Java-basierter Middleware-Technologien. Darüber hinaus beschäftigt er sich intensiv mit Fragestellungen aus dem Bereich Data Science.

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